herzlich willkommen zur 21. dokumentarfilmwoche hamburg
programm
Austausch ist und war schon immer Herzstück unseres Festivals. Wieder und umso mehr wollen wir in diesem Jahr widersprüchliche Sichtweisen in einen Dialog bringen und für Auseinandersetzung plädieren. Zu unserem Redaktionsschluss Anfang März tobt in Deutschland eine durch den Nahostkonflikt ausgelöste kulturpolitische Debatte. Im Lichte der mehrheitlich polarisierend geführten Auseinandersetzung haben auch wir viel diskutiert, welche Rolle wir darin wahrnehmen wollen. Dies ist der Versuch, Stellung zu beziehen und die Werte, für die wir stehen, zu bekräftigen, ohne sich jedoch auf die derzeitige Polarisierung und die Zwei-Seiten-Politik einzulassen: Wir zeigen klare Kante gegen Rassismus, Antisemitismus und Islamophobie wie auch jedwede andere Form der Diskriminierung. Für eine offene Gesellschaft, für den Mut zur Auseinandersetzung – auch mit schmerzlichen Realitäten und Einsichten – und die Fortsetzung des Dialogs mit allen, die ein Interesse an Verständigung haben und in Betracht ziehen können, dass die eigene Meinung durch neue Erkenntnisse und andere Perspektiven veränderbar ist.
Das betrifft nicht zuletzt uns selbst, als weißes, privilegiertes Team mit der Neigung, allen Widrigkeiten zum Trotz an universalistische Werte zu glauben. Wir möchten euch einladen zum Dialog, zur Auseinandersetzung. Mit uns, unseren Gäst*innen und den präsentierten Filmen: morgens bei den Gesprächsveranstaltungen im Festivalzentrum, am Abend im Festivalclub und insbesondere vor, nach und im Kino.
Gesprächsbereit und unverzagt, das Team der dokumentarfilmwoche hamburg
Hier könnt könnt ihr euch das Katalog-PDF und den Programmplan unseres Festivals herunterladen.
Eröffnung | Metropolis
Di 23.4. | 20 Uhr
Zu Gast: Karin Berger
Im Anschluss: Bordsteinbar
Position: Karin Berger
Wankostättn
Karin Berger, AT 2023, 37 min, dt. OmeU
Karl Stojka hat überlebt. 1997 steht er im zehnten Bezirk in Wien auf der Straße, zwischen Wohnhäusern und parkenden Autos, mit Krawatte, Hut und Stock.
mehr
Er geht, erzählt, zeigt, erinnert und erkennt die »Wankostättn«: Damals in seiner Kindheit und Jugend eine Lagerwiese mit Wägen, bewohnt von Rom*nja und Sinti*zze – jetzt ein komplett verschwundener Ort, dessen ehemalige Bewohner*innen wie Karl Stojka 1943 durch die Nationalsozialisten deportiert wurden. Nicht nur alte Schwarz-Weiß-Fotografien zeugen davon – Karin Bergers Film dokumentiert Stojkas Erinnerungen, ohne dass diese etwas von ihrer Eindringlichkeit verlieren. ›Wankostättn‹ ist auf 16mm gebrannte, lebendige Zeitzeugenschaft, die bis heute nichts an Kraft verloren hat und die aufzeigt, was Film leisten kann. (af)
Position | Festivalzentrum fux eG
Mi 24.4. | 11 Uhr
Zu Gast:
Ingo Kottkamp, Tanja Runow
Vortrag auf
Deutsch
Position: Dokumentarisches Hören
Wirklichkeit im Radio
Über Hördokus aus Archiven, die die Zeit überdauert haben
Vortrag und Werkschau
Radiofeature und Dokumentarfilm: Das Letztere klingt nach großen Festivals, das Erstere seriös, aber ein bisschen bräsig.
mehr
Gibt es eine akustische Schwester des Dokumentarfilms? Und versteckt sie sich in den Archiven des öffentlich-rechtlichen Rundfunks? Für die Website ›Wirklichkeit im Radio‹ hat ein Team jahrelang in diesen Archiven gestöbert, sich durchgehört und diskutiert. Von einigen dieser Diskussionen wird heute erzählt. Und vor allem gibt es viel Wirklichkeit im Radio zu hören. Das Archivprojekt ›Wirklichkeit im Radio‹ ist als Sendereihe bei der Featureredaktion von Deutschlandfunk Kultur entstanden und erkundet die Geschichte des dokumentarischen Erzählens im Radio. Immer war es wichtig, keine Museumsstücke, sondern heute noch relevante Features zu hören. (Ingo Kottkamp)
> Ausstellung: Dokumentarisches Hören
> Wildenhahn Hörstück: Da wo die Kamine qualmen, da musst Du später hin
Ausstellung | Festivalzentrum fux eG
Öffnungszeiten:
Mi 24.4. – Sa 27.4.
10 bis 18.30 Uhr
So 28.4.
12 bis 18.30 Uhr
Position: Dokumentarisches Hören
Dokumentarisches Hören
Programm und Ausstellung
Geräusche, Songs, O-Töne, Dialoge, Erzählungen. Wie vermittelt sich ein Behördenapparat, ein Aufnahmestudio oder ein Gemälde, wenn man es nicht sieht, sondern ausschließlich hört? Welche Mittel nutzt das dokumentarische Erzählen, das sich allein über Ton vermittelt? Und warum beschäftigt sich die dokumentarfilmwoche hamburg damit?
mehr
Wir wollen uns mit dem dokumentarischen Hörstück befassen, das so vieles mit dem Dokumentarfilm gemeinsam hat und doch als rein akustisches Medium mit anderen Prämissen arbeitet. Eröffnet wird die Positionsveranstaltung am Mitwoch mit einem Vortrag von Ingo Kottkamp zu ›Wirklichkeit im Radio‹, der Sendereihe und Materialsammlung von Deutschlandfunk Kultur. Kottkamp erkundet die Geschichte des dokumentarischen Erzählens im Radio und beleuchtet seine Möglichkeiten und Grenzen anhand von Archivfunden aus verschiedenen Sendeanstalten.
Am Nachmittag bringen wir das dokumentarische Hören dann vom Radio in den Kinoraum. Wie verändert sich ein Hörstück, wenn es nicht über Kopfhörer oder Radiolautsprecher gehört wird, sondern innerhalb einer konzentrierten Atmosphäre wie der eines Kinosaals? Dieser Frage gehen wir mit dem Radiofeature ›Fifty Shades of Meryem‹ im B-Movie nach.
Im Festivalzentrum in der fux eG geht eine Ausstellung der Bandbreite des dokumentarischen Hörens vor allem historisch auf den Grund. Wir haben einen Ort geschaffen, an dem man sich gemeinsam oder allein, entspannt oder konzentriert, reinlauschend oder durchrauschend dem dokumentarischen Hören widmen kann. Dort zeigen wir ab Mittwoch an drei Tagen eine kuratierte Auswahl aus der Reihe ›Wirklichkeit im Radio‹, ergänzt durch englischsprachige Hörstücke sowie Klaus Wildenhahns Hörstück ›Da wo die Kamine qualmen, da musst Du später hin‹, der zusätzlich einmalig in den fux Lichtspielen präsentiert wird. Begleitend zu diesem historischen Hörstück findet am Samstag eine Lesung mit Freunden Wildenhahns statt. Am Samstag und Sonntag rundet ein Best-of der vorangegangenen Tage das Programm ab. Tune in! (sp)
> Vortrag: Wirklichkeit im Radio
>Wildenhahn Hörstück: Da wo die Kamine qualmen, da musst Du später hin
Feature (Hörstück) | B-Movie
Mi 24.4. | 14 Uhr
Zu Gast:
Leon Daniel,
Yannick Kaftan,
Katrin Moll
(DLF Kultur)
Q&A: Deutsch
Position: Dokumentarisches Hören
Fifty Shades of Meryem
Feature (Hörstück)
Leon Daniel, Yannick Kaftan, DE 2024, 54 min, dt. OF
»Und wer bist du?« »Fifty Shades of Meryem.« Leon Daniel und Yannick Kaftan begleiten die Schauspielerin Meryem Öz ein Stück durch ihr Leben.
mehr
Gemeinsam oszillieren die drei räumlich, klanglich und gedanklich zwischen Hamburg und Samsun. Vor nicht allzu langer Zeit hat Meryem im Ensemble des Hamburger Thalia Theaters angefangen; im Sommer besuchen sie Meryems Familie in der Türkei. Meryem reflektiert über ihr Leben als Schauspielerin, das Navigieren von Identität, die Bedeutung von Familie, was es heißt eine muslimische Frau zu sein, wie sie sich assimilieren musste, um in der Theaterbranche überhaupt Fuß fassen zu können und wie sie sich politisch einmischen will, damit sich die Dinge ändern. Dabei ist auch immer die Beziehung zwischen ihr und den beiden Featuremachern Teil der Auseinandersetzung. Ein Hörstück, das viele Bilder im Kopf hinterlässt. (sp)
> Vortrag: Wirklichkeit im Radio
> Ausstellung: Dokumentarisches Hören
> Wildenhahn Hörstück: Da wo die Kamine qualmen, da musst Du später hin
Position | B-Movie
Mi 24.4. | 15.45 Uhr
Zu Gast: Olena Newkryta
Q&A: Deutsch
Double Feature
mit Wie man sieht
Position: Newkryta/Farocki
Patterns Against Workers
Olena Newkryta, AT 2023, 34 min, engl. OmdtU
Vom Webstuhl zum digitalen Code. Von der architektonischen Organisation der Fabriken zum Computerchip.
mehr
›Patterns Against Workers‹ zeigt, wie das kollektive Wissen der Weberinnen vergangener Jahrhunderte abgeschöpft und in die virtuellen Maschinenräume unserer Gegenwart eingespeist wird und »wie sich die Verwaltung von Zeit, Raum und Arbeit in der Ware selbst materialisiert«. Ein Essayfilm, der seinen Stoff maximal verdichtet, statt essayistisch zu mäandern und dessen Modus der Überforderung sich in der Ausbeutung und Erschöpfung der Arbeiterinnen bis in die Schlaflosigkeit hinein begründet. Eine audiovisuelle Anordnung, deren adäquat eingesetzte filmische Mittel immer nah am verhandelten Sujet operieren und eine immense Sogwirkung entfalten. (bs)
Position | B-Movie
Mi 24.4. | 15.45 Uhr
Einführung:
Michael Baute
Double Feature
mit Patterns Against Workers
Position: Newkryta/Farocki
Wie man sieht
Harun Farocki, BRD 1986, 72 min, dt. OmeU
Mein Film ›Wie man sieht‹ ist ein Spielfilm, er hat viel Handlung.
mehr
Toten im Massengrab, von Maschinen, die so häßlich sind, daß eine Verkleidung das Auge des Arbeiters schützen muß, und von Motoren, die zu schön sind, daß sie die Kühlerhaube verbirgt, von Arbeitstechniken, die an der Zusammenarbeit von Hand und Hirn festhalten oder damit Schluß machen wollen. Mein Film ›Wie man sieht‹ ist ein Aufsatz- oder Essay-Film. Der gegenwärtige Meinungsapparat ist ein großes Maul und vielleicht ein Reißwolf. Ich mache aus den Fetzen einen neuen Text und veranstalte also eine Schnitzeljagd. Mein Film ist aus vielen Einzelheiten und stellt unter ihnen viele Bild-Bild und Wort-Bild und Wort-Wort-Beziehungen her und kann also einen Abend füllen. Ich suchte und fand eine Form, in dem man mit wenig Geld viel hinstellen kann. (Harun Farocki)
Position | B-Movie
Mi 24.4. | 18.30 Uhr
Zu Gast: Karin Berger
Q&A: Deutsch
Position: Karin Berger
Küchengespräche mit Rebellinnen
Karin Berger, Elisabeth Holzinger, Lotte Podgornik, Lisbeth N. Trallori, AT 1984, 80 min, dt. OmdtU
In ›Küchengespräche mit Rebellinnen‹ erzählen vier Frauen von ihrem Widerstand gegen den Nationalsozialismus, erinnern sich mit Ruhe und Bestimmtheit, bisweilen mit schelmischem Witz.
mehr
Karin Berger folgt ihren Erinnerungen. Nicht bloß dem Vertrauen in die Kraft des Erzählens entspringt die Reduziertheit des Films, noch mehr der Notwendigkeit des Erinnerns, des Bezeugens. Beim Gespräch in der Küche, 40 Jahre später, hat das Erlebte nichts an schrecklicher Intensität verloren. Eine wichtige Geste dieses Films ist die Sichtbarmachung des Unerklärlichen, das nicht mehr zu verstehen ist und von dem trotzdem erzählt werden muss. Dabei kann der Mut, den diese Frauen aufbringen konnten und Millionen andere nicht, nur unbegreiflich bleiben. Die Widerstandskraft, die sie zu Rebellinnen hat werden lassen. (ab)
B-Movie
Mi 24.4. | 20.30 Uhr
Zu Gast: Franzis Kabisch
Q&A: Deutsch
getty abortions
Franzis Kabisch, AT/DE 2023, 22 min, dt. OmeU
Welche Bilder prägen unsere Gesellschaft und wie beeinflussen sie unsere Wahrnehmung?
mehr
In diesem präzise konstruierten Desktopfilm erforscht Franzis Kabisch die eindimensionale Darstellung von Abtreibung in den Medien. In einer spielerisch-essayistischen Form führt ›getty abortions‹ von 90er-Jahre-BRAVO-Zeitschriften durch ein Archiv von Stockfotos über wissenschaftliche Abhandlungen bis hin zu persönlichen und imaginären Geschichten. Dabei werden die symbolhaften Bilder selbst, aber auch ihre möglichen Lesarten hinterfragt. Untermalt von einem galoppierenden Sounddesign untersucht Kabisch vorherrschende Bildkonstrukte: Sie seziert, demontiert und setzt collagenartig neu zusammen. Ein Versuch, der dominanten medialen Repräsentation etwas entgegenzusetzen.
(fb)
B-Movie
Mi 24.4. | 21.30 Uhr
Zu Gast: Romeo Grünfelder
Q&A: DeutschÂ
Tot oder lebendig
Romeo Grünfelder, DE 2024, 60 min, engl./dt. OmeU
Ein slowakischer Mathematiker, ein Medium, ist auf die Qualität einer Fotografie angewiesen, um sich mit ihr verbinden, sie fühlen zu können.
mehr
Gelingt dies, behauptet das Medium, den Vitalzustand der auf der Fotografie abgebildeten Person bestimmen zu können: tot oder lebendig. Ob dies eine glaubwürdige übersinnliche Fähigkeit oder bloß Betrug und Täuschung ist, wollen vier Skeptiker aus San Francisco und ein Versuchsleiter in einem Experiment mit Objektivitätsanspruch überprüfen. Der Film beobachtet diese skurril anmutende Versuchsanordnung mit Geduld und ergänzt kontextualisierende Informationen. Dabei entsteht viel Raum zum Nachdenken und ein Film, der nur für kurze Zeit die Sphären des Sinnlichen verlässt. (mr)
Position | Festivalzentrum fux eG
Do 25.4. | 11 Uhr
Zu Gast: Michael Baute,
Olena Newkryta
Gespräch auf
Deutsch
Position: Newkryta/Farocki
Arbeit unter Beobachtung
Gespräch in Zusammenarbeit mit dem Harun Farocki Institut
›Patterns Against Workers‹ von Olena Newkryta wird 2023 veröffentlicht. 37 Jahre davor, 1986, erscheint Harun Farockis ›Wie man sieht‹.
mehr
Beide Filme handeln von Arbeitsverhältnissen und deren Sichtbarkeit, von Anschauung und geschichtlicher Begriffsarbeit, beinhalten heterogene Text- und Bildmaterialien, die sie im Modus des »Essayfilms« organisieren, und finden darin schließlich zu jeweils eigenen Auffassungen von »Handlung«. Das Gespräch soll vom Aufeinandertreffen dieser beiden Filme handeln; von der These, dass ›Patterns Against Workers‹ auch eine Fortschreibung von ›Wie man sieht‹ ist; vom Unterschied zwischen auf 16mm gedrehten und montierten Bildern damals und digitalen Techniken heute; vom Begriff des »Essayfilms« und dessen Konstruktionsoperationen. (Michael Baute)
Lichtmeß
Do 25.4. | 14 Uhr
Zu Gast: Can Ünlü
Q&A: Deutsch
Daidai
Can Ünlü, DE 2023, 56 min, türk. OmeU
›Daidai‹ zeigt einen älteren Mann in einer oder in vielen Nächten. Dort sitzt er zwischen dem Schimmer einer Leselampe und der Fast-Dunkelheit.
mehr
Deutlich leuchtet nur die Schrift des Teletexts: Fußballergebnisse der türkischen Süper-Lig, 20. Januar, 21.22. Die Uhr tickt, als hätte die Zeit einen Sprung, nichts weist darauf hin, dass sie vergeht. Erst wenn er langsam durch den Flur des Pflegeheims wandert. Und später durch die Stadt. Wer ist dieser Mann? ›Daidai‹ gibt nicht viel preis, fast scheint der Film den Protagonisten gefangen zu halten in der Stilisierung seiner Isolation. Umso länger sich die Dunkelheit im Raum entfaltet, desto mehr wird sie durchschienen vom Teletext, den dieser Film zum Ereignis macht; von einem jungen Mann, der sich zu ihm setzt, und einem vergangenen Leben. Wie Can Ünlü dieses eigensinnige Andauern beobachtet, mündet in einem mutigen Porträt. (ab)
Der Wind nimmt die mit
Ann Carolin Renninger, DE 2023, 25 min, dt. OmeU
»Die Menschengeschichte geht ja nicht ewig weiter.« Schaukelnd beschreibt Rovin, wie das Vergehen bereits in das Entstehen eingeschrieben ist, gibt uns eine kurze, schonungslose Zivilisationsgeschichte an die Hand.
mehr
Sein junger Geist ist mit neugierigem Blick in die Welt, auf ihre Bewohner*innenschaft und in die Ferne des Universums gerichtet. Auch der Blick der Regisseurin mit ihrer analogen Kamera zeugt von einer unablässigen Neugier an den Bewegungen, den Dingen und den Menschen. Beim taktilen Wahrnehmen der archaisch anmutenden Lebenswelt, wie Maria sie mit den Steinen vor ihrer Haustür vornimmt,
verschränkt sich das Forschende mit dem Persönlichen. Indem er den Möglichkeiten des dokumentarischen Arbeitens vertraut, stellt ›Der Wind nimmt die mit‹ auf spielerische Weise Fragen nach dem prozesshaften Verhältnis von Mensch, Natur und Technik, kurzum: dem Sein. (mr)
Position | Lichtmeß
Do 25.4. | 17 Uhr
Zu Gast: Karin Berger
Q&A: Deutsch
Position: Karin Berger
Ceija Stojka
Karin Berger, AT 1999, 85 min, dt. OmeU
Ceija Stojka ist Malerin, Autorin, Zeitzeugin. 1933 geboren und als fahrende Romni aufgewachsen, hat sie als Kind drei Konzentrationslager überlebt.
mehr
Ein Ziegel von Auschwitz-Birkenau ruht in ihrem Küchenschrank, sorgsam in ein Tuch eingeschlagen. Ceija erinnert sich, erzählt wider das Vergessen von traumatischen Erfahrungen, aber auch dem Leben danach und ihrer Familie. Dabei bleibt Karin Bergers feinfühliges Porträt in seiner filmischen Form nah an der beeindruckenden Protagonistin, und ihr Alltagsleben findet ebenso Raum wie das Vergangene, Unvorstellbare. Wenn Ceija über die »braune Soße« spricht, die wie ein Fluss durch ganz Europa strömte und hinzufügt »das rinnt heut noch«, ist ihre Zeuginnenschaft von erschreckender Aktualität und der Film ein eindrücklicher Appell. (ek)
El Shatt – A Blueprint for Utopia
Ivan Ramljak, HR/RS 2023, 96 min, kroat./serb. OmeU
Ein Schiff fährt von Europa nach Nordafrika, es bringt Menschen in ein Camp in der Wüste.
mehr
Es ist 1944, sie fliehen vor der deutschen Wehrmacht, die nach der Kapitulation Italiens droht, den Süden Jugoslawiens zu besetzen. An Bord der Schiffe sind Kinder und Alte, aber vor allem Partisan*innen, die vor den Faschisten auf die dalmatinischen Inseln flüchten. Als diese die Menschenmengen nicht mehr bewältigen können, organisieren die Alliierten ihre Evakuierung nach Ägypten. Die Camps von »El Shatt«, so die Idee, sollen auch modellhaft für den Aufbau einer neuen Gesellschaft nach dem Krieg stehen. Ivan Ramljak kompiliert seinen Film aus Archivmaterial, Erlebnisberichten von Zeitzeug*innen und Agitprop-Szenen, die historische Originaltexte zitieren. (mg)
Notes from Eremocene
Viera Čákanyová, SK/CZ 2023, 78 min, engl./slowak. OmeU
Im Eremozän findet sich die Menschheit in existenzieller Isolation wieder.
mehr
Gekennzeichnet durch Umweltzerstörung, den globalen Rückgang der Artenvielfalt und die Übermacht der Technosphäre über die Biosphäre, verkörpert dieses Zeitalter die Essenz der Einsamkeit. Hier beginnt eine skurrile, dystopische Erzählung: In ihrem analogen Science-Fiction-Essay begibt sich Viera Čákanyová in einen Dialog der Menschheit mit einem zukünftigen virtuellen Alter Ego. In einer spielerischen Mischung aus analogem Film und digitalen Bildern hinterfragt Čákanyová auf intime Weise unseren optimistischen Umgang mit Technologie und denkt über deren Rolle inmitten globaler Krisen nach. Dieses zutiefst persönliche Unterfangen wird zu einer audiovisuellen Postkarte an eine ungewisse Zukunft. (sh)
Festivalzentrum fux eG
Fr 26.4. | 11 Uhr
Zu Gast: Karin Berger, Kelly Laubinger
Gespräch auf Deutsch
Position: Karin Berger
Erzählen als Erinnerungsort
Werkstattgespräch mit Karin Berger und Kelly Laubinger (Vorsitzende der Bundesvereinigung der Sinti und Roma)Â
Ein Gespräch mit Karin Berger sollte eigentlich nicht auf einer Bühne, einem so künstlich hergestellten Ort der Aufmerksamkeit stattfinden. Viel eher bei einem Spaziergang oder einem Kaffee am Straßenrand.
mehr
In diesen Situationen und Räumen des alltäglichen Lebens begegnet auch Karin Berger ihren Protagonist*innen. In der Küche, im Wohnzimmer, an einer Kreuzung, beim Autofahren, beim Malen. Seit den 1980er-Jahren arbeitet die Filmemacherin forschend und filmend vor allem zu weiblicher Zeitzeuginnenschaft. Insbesondere Lebensrealitäten von Frauen im Nationalsozialismus und die Repräsentation von Rom*nja und Sinti*zze sind Gegenstand ihrer Auseinandersetzung. Perspektiven, die an die Ränder des kulturellen Gedächtnisses gedrängt wurden und werden. Im Vertrauen auf die bezeugende und bildhafte Wirkmacht des Erzählens gibt sie den Lebensgeschichten ihrer Protagonist*innen Raum, ohne sich in formaler Zierde zu verlieren. Karin Berger selbst ist in ihren Filmen auf eine sehr angenehme, zurückhaltende Art spürbar. Die große Leistung ihrer Fragen besteht darin, dass sie genau in den Momenten beharrlich nachfühlt, in denen das Erlebte, die Todesangst, der Mut, die Widerstandskraft allzu selbstverständlich erscheinen. Dabei richtet sie ihr Augenmerk auch auf die kleinen Dinge, die ihre Bedeutsamkeit nur zaghaft behaupten: ein Spiegel und eine Taschenuhr, ein Backstein unter der Spüle. Wenn Ceija Stojka in ihrem Wohnzimmer malt und Karl Stojka in einem Wiener Wohnviertel auf einen Briefkasten zeigt, offenbart sich in der Differenz zwischen Vergangenem und Gegenwart, Profanem und Unvorstellbarem die Widerständigkeit des Weiterlebens, des trotzdem Erzählens, gegen das Vergessen. Mit der Karin Berger so eigenen, nachfühlenden Neugier freuen wir uns darauf, gemeinsam mit ihr und dem Publikum im Rahmen eines Werkstattgesprächs den Weg durch ihr Filmschaffen zu gehen. (ab/ek)
3001
Fr 26.4. | 14 Uhr
Zu Gast: Nizan Kasper
Q&A: Deutsch
HAUBI
Nizan Kasper, DE 2023, 47 min, dt. OmeU
»Ist das hier die Kunsthalle? Habe ich nie wahrgenommen« sagt der 18-jährige Noah und ist hier doch täglich unterwegs.
mehr
Noahs Welt ist von anderem bestimmt, da er mit den Umständen eines Lebens mit Heroinsucht zu kämpfen hat. Am »Haubi«, dem Hamburger Hauptbahnhof, trifft Noah auf den Filmemacher Nizan Kasper. Die beiden zeigen sich gegenseitig diesen Ort, an dem so viele Lebensrealitäten aufeinandertreffen. Mit atmosphärischer Dichte, stilistischer Experimentierfreude und einem einfühlsamen Blick macht ›HAUBI‹ sichtbar, was die Polizei aus dem Stadtbild zu verdrängen versucht. Sich punkig dem Protagonisten annähernd, kombiniert der Film analoge Fotografien, Gespräche und Musik. Bei aller offengelegten Ungleichheit in ihrem Verhältnis beeindruckt ›HAUBI‹ vor allem durch die simple wie respektvolle Bereitschaft, gemeinsam Zeit zu verbringen. (rg)
3001
Fr 26.4. | 15.45 Uhr
Zu Gast: Martin Paret
Q&A: Deutsch
Operation Namibia
Martin Paret, DE 2023, 93 min, engl. OmdtU
Eine Gruppe weißer linker Aktivist*innen kauft 1976 in England ein Segelboot für eine mehrmonatige Überfahrt nach Namibia.
mehr
Die Mission der jungen Crew: nichts weniger als eine gewaltfreie Revolution im Apartheidsystem des von Südafrika besetzten Landes anzustoßen. Mit an Bord sind 6.000 verbotene Bücher, viel Idealismus und Zeit. Anhand des Briefverkehrs der Crew mit den Organisationsbüros in Philadelphia und London erzählt der Film geschickt und humorvoll vom Verlauf und Scheitern des Versuchs von philanthropischem Aktivismus, Selbstorganisation und all ihren zwischenmenschlichen Grenzen. ›Operation Namibia‹ ist eine vielstimmige Odyssee zwischen Briefen, Fotos und Super8-Film, aus der nicht zuletzt der naive Glaube an internationale Solidarität der 70er-Jahre spricht. (af)
> Diskussionsveranstaltung: Dokumentierter Aktivismus & aktivistisches Filmen
Xaraasi Xanne – Crossing Voices
Raphaël Grisey, Bouba Touré, FR/DE/ML 2022, 123 min, soninké/frz./bambara/pulaar OmeU
Der Film handelt von Kämpfen um Arbeit und Anerkennung in Frankreich, der Sans-Papiers-Bewegung, vom Senegal-Fluss in Mali und was von Termiten zu lernen ist.
mehr
Unterschiedliche Kulturen der Aufzeichnung und Überlieferung treffen aufeinander. Dokumente migrantischen Widerstands: Videos, Fotos, Plakate und Flugblätter, die Griots und das Radio, koloniales Bildmaterial und Google Earth. Als Reisender zwischen Mali und Frankreich bringt Touré in Frankreich erworbenes landwirtschaftliches Wissen zurück nach Mali und begründet 1977 mit anderen Rückkehrer*innen die bis heute bestehende Kooperative Somankidi Coura. Touré und Grisey legen gemeinsam Pfade durch Tourés reichhaltiges Archiv und versehen sie mit einer eigenen Zeitlichkeit: die Permakultur des Kampfes gegen koloniale Dominanz. (mg)
> Diskussionsveranstaltung: Dokumentierter Aktivismus & aktivistisches Filmen
Spuren von Bewegung vor dem Eis
René Frölke, DE 2024, 89 min, dt./engl./frz. OmeU
Die Super8-Kamera schnurrt, alte Tonbandaufnahmen werden abgespielt. Eine Wohnung voller übereinandergestapelter Kartons, darin haufenweise Bücher, Magazine, Korrespondenzen und handschriftliche Notizen.
mehr
Elliptisch spürt René Frölke dem nach, was im Archiv des nicht mehr existierenden Pendo Verlags übrig geblieben ist. Dinge tauchen auf und verschwinden wieder, Sätze reißen ab. Dazwischen: der Katholizismus des Verlagsgründers und das Jazz-Klavierspiel seiner Erbin. So verwandelt sich der Film dem aufgefundenen Material an und eröffnet eine gleichsam fragmentarische wie sinnliche Spurensuche mittels Sprache, Bild, Sound und Text. Das Archiv zieht um, die kleinen Dinge hallen nach: ein alter Brief, die vollgekritzelten Ränder eines Buchs, Applaus und ein Lachen aus dem Off. (ek)
Position | Festivalzentrum fux eG
Sa 27.4. | 11 Uhr
Zu Gast: Onome Ekeh,
Abdou-Rahime Diallo
Diskussion auf Englisch
Position: Dokumentierter Aktivismus & aktivistisches Filmen
Dokumentierter Aktivismus & aktivistisches Filmen: Respondenzen von Onome Ekeh und Abdou-Rahime Diallo
Diskussionsveranstaltung in englischer Sprache
Grundlage der Diskussion sind die Filme ›Xaraasi Xanne – Crossing Voices‹, ›Operation Namibia‹ und ›Fasia – von trutzigen Frauen und einer Troubadora‹.
mehr
Die Filme erzählen von emanzipatorischen Kämpfen von den 60ern bis in die 2000er zwischen Selbstorganisation, Supporter*innentum und Aktivismus. Bei aller Unterschiedlichkeit der politischen Milieus, Zeitlichkeiten und Erzählweisen spricht aus den Filmen der Geist des Internationalismus des 20. Jahrhunderts. Die Behauptung: Alle Menschen können gleichermaßen am Kampf gegen Kapitalismus und Ausbeutung partizipieren. In der Diskussion geht es um kritische Perspektiven auf selbstermächtigte Archivarbeit und die Bildproduktionen subalterner Positionen. Was waren die Verheißungen des damaligen Internationalismus, wodurch geriet er in Verruf und wie kann eine Transformation gelingen? (aa/teg/mg)
Onome Ekeh wurde auf beiden Seiten des Atlantiks geboren und lebt als Autorin und Gestalterin spekulativer Räume in Basel. Ihre Arbeit dreht sich um kulturelle Verdichtungen wie die schwarze Diaspora, postkoloniale Überschneidungen und die Möglichkeiten, dominante kulturelle Konstrukte neu zu gestalten.
Abdou-Rahime Diallo ist Politikberater und Trainer im Bereich Dekolonisierung und Antirassismus, interkultureller Moderator, Musiker und Filmemacher. Seine Eltern kamen aus Guinea zum Studium in die DDR. Er wurde in Halle geboren und lebt in Berlin. Ein Schwerpunkt seiner Arbeit ist die Vernetzung und Beratung von diasporischmigrantischen Organisationen.
Metropolis
Sa 27.4. | 14 Uhr
Zu Gast: Re Karen,
Gernot Steinweg,
Rainer Komers
Q&A: Deutsch
> TRAILER
In Zusammenarbeit mit:
Fasia – von trutzigen Frauen und einer Troubadora
Re Karen, BRD 1987, 84 min, dt. OF Erstaufführung der digitalisierten 4K-Version
Fasia Jansen wird 1929 als uneheliche Tochter von Elli Jansen aus Hamburg-Rothenburgsort und dem liberianischen Generalkonsul Momulu Massaquoi geboren und wächst in der Familie ihrer Mutter auf.
mehr
Während der NS-Zeit hat sie als Afrodeutsche keinen Zugang zu den Luftschutzbunkern und ist medizinischen Versuchen der Nazis ausgesetzt, die ihre Gesundheit nachhaltig beeinträchtigen. Später wird das Ruhrgebiet zu ihrer Wahlheimat, und sie engagiert sich in der Anti-Kriegsbewegung. Ihre Bluesstimme und ihre Bühnenpräsenz machen sie in den 1980er-Jahren zu einer Ikone der europäischen feministischen Friedensbewegung. Der Film ist eine Hommage an Fasia Jansen und zeigt beeindruckende Interviewszenen mit ihrer Mutter und Hamburger Jugendfreundinnen. (mg)
> Diskussionsveranstaltung: Dokumentierter Aktivismus & aktivistisches Filmen
Position | Festivalzentum fux eG
Sa 27.4. | 16 Uhr
Zu Gast: Gerd Haag,
Michael Girke
Lesung auf Deutsch
Position: Dokumentarisches Hören
Wildenhahn unerhört
Lesung
»Wildenhahns Filme haben indes festgehalten, gespeichert, machen die Veränderungen sichtbar. Dies ist der Moment, da man gewahr wird, wie sehr unsere Erinnerung des dokumentarischen Films bedarf.«
mehr
Gerd Haag und Michael Girke erlebten den Dokumentaristen Klaus Wildenhahn aus ganz unterschiedlichen Perspektiven – und stellen diese nun gemeinsam vor. Der Autor, Redakteur und Produzent Gerd Haag, der mit Klaus Wildenhahn das Hörstück ›Da wo die Kamine qualmen, da musst Du später hin‹ realisierte, liest aus seinem damaligen Produktionstagebuch vor. Michael Girke wiederum – Autor und Singer-Songwriter – präsentiert sein unveröffentlichtes Buch ›Versuch über Heimat‹, das ein langes Kapitel über Klaus Wildenhahns dokumentarische Filme enthält. Ihre Lesung wird als Hörstück aufgenommen. (rg)
> Ausstellung: Dokumentarisches Hören
> Vortrag: Wirklichkeit im Radio
> Wildenhahn Hörstück: Da wo die Kamine qualmen, da musst Du später hin
No Other Land
Basel Adra, Hamdan Ballal, Yuval Abraham, Rachel Szor, PS/NO 2024, 95 min, arab./hebr./engl. OmeU
Die Dörfer von Masafer Yatta im Westjordanland sollen einem Truppenübungsplatz weichen, das oberste Gericht Israels hat die Enteignung gebilligt.
mehr
Dagegen widersetzt sich die Familie von Basel Adra seit Langem. Wir sehen Adra als Kind, als jungen Mann; zuerst wird er gefilmt, dann beginnt er selbst zu filmen: dokumentiert die Zerstörung der Häuser, die Repression, auch die Hartnäckigkeit, mit der die Bewohner*innen ihr Zuhause verteidigen. Yuval Abraham, israelischer Journalist, schließt sich dem an, ergreift Partei: ein Pendler zwischen den Territorien. Ein tiefes Eintauchen in eine brutale Realität, aber auch ein Blick auf den Kampf um Verständnis, um ein Zusammenkommen und ein Versuch zu verstehen. (fb/tg)
Position: Dokumentarisches Hören
Da wo die Kamine qualmen, da musst Du später hin
Feature (Hörstück)
Klaus Wildenhahn, Gerd Haag, BRD 1978, 86 min, dt. OF
»Wenn in Larsburg oder im Wittgensteiner Land ein Kind geboren wird, dann kriegt es gleich den Kopf rumgedreht und kriegt dann gezeigt:
mehr
Da wo die Kamine qualmen, da musst du später hin« beginnt der Hörfilm von Klaus Wildenhahn und Gerd Haag. Es zeigt sich, 2.500 Jahre Erzbergbau gehen nicht spurlos an Mensch und Landschaft vorbei. »Eisen, das rot glüht, ein Funkenregen. Der Schatten eines Arbeiters in weitausholender Bewegung.« Auf Tonband festgehalten von Klaus Wildenhahn, in beschäftigungsloser Zeit, und Gerd Haag – damals beim WDR. Beworben wurde der Hörfilm mit dem Spruch »Unterhaltung, Erzählung, Geschichten, Geschichte.« Mal ohne Kamera, nur mit Mikrofon unterwegs, gelingt den beiden ein Dokumentarfilm für die Ohren und eine vielschichtige Bestandsaufnahme der Arbeitsverhältnisse im Siegerland. (rg)
> Ausstellung: Dokumentarisches Hören
Notre corps – Our Body
Claire Simon, FR 2023, 168 min, frz./engl./span. OmeU
Schwangerschaftsabbruch, Geschlechtsumwandlung, künstliche Befruchtung, Geburten und unheilbare Krankheiten.
mehr
Eine 360-Grad-Betrachtung von Körpern in der gynäkologischen Abteilung des Pariser Krankenhauses
Tenon. ›Notre corps‹ ist ein großartiger, kraftvoller Film und Abdruck der gezeigten Körper, die geprägt sind von einer jahrhundertealten Kultur der Scham und Unterdrückung. Mit Geduld, Zeit und Feingefühl kommt Claire Simon den Menschen nah und teilt mit ihnen Schmerz und Freude. Dann tritt die Regisseurin selbst vor die Kamera und wird zur Patientin. Derselbe aufrichtige und bescheidene Blick, den sie zuvor auf andere gerichtet hat, gilt nun ihr selbst. Eine Wendung, die die Idee von Gleichbehandlung über Klassen und Herkunft hinweg verstärkt und die Vorstellung eines kollektiven Selbst schafft: »unser Körper«. (fb)
Knit’s Island
Ekiem Barbier, Guilhem Causse, Quentin L’helgoualc’h, FR 2023, 95 min, engl./frz. OmeU
In der virtuellen Welt des Survival Games »DayZ« treffen sich Spieler*innen, um in eine postapokalyptische Szenerie einzutauchen.
mehr
Dazu gehören auch die Filmemacher von ›Knit’s Island‹. In diesem Film, fast möchte man ihn
einen Abenteuerfilm nennen, offenbart sich das Virtuelle als gesellschaftliches Experimentierfeld: Warum werden die einen zu Kannibal*innen, während die anderen einem Wolfsgott huldigen und sich zum solidarischen Gärtnern verbünden? Das sogenannte »real life« bricht bloß flüchtig in den Sog der hochauflösenden Simulation ein, wenn das Kind einer Spielerin im Nebenraum schreit. ›Knit’s Island‹
dokumentiert fiktionsbasierte Identitäten und sucht entgegen dem tödlichen Spielprinzip nach Gemeinschaften, die sich an virtuellen Lagerfeuern versammeln und die Ränder des Internets erkunden wollen. (ab/ek)
Position | Metropolis
So 28.4. | 11 Uhr
Einführung: Claudia Honefeld
Zu Gast: Rainer Ackermann,
Christian Lehmann-Feddersen
Q&A: Deutsch
Position: Spanischer Bürgerkrieg
Die Cousins
Rainer Ackermann, Thomas Plenert, Christian Lehmann, BRD 1988, 90 min, dt. OF
Drei junge Hamburger, die Brüder Viktor und Bruno Prieß und ihr Cousin Heinz, treffen um die Jahreswende 1936/37 in Spanien ein, um im Bürgerkrieg gegen die Franco-Putschisten zu kämpfen.
mehr
Bruno fällt in der Schlacht am Ebro. Nach Francos Sieg trennen sich die Wege der Cousins Viktor und Heinz, einer lebt in der BRD, der andere in der DDR. Nach rund 50 Jahren initiieren die Filmemacher
Ackermann, Plenert und Lehmann ein Wiedersehen und eine gemeinsame Reise der Cousins nach Spanien, zurück an die Orte des Kriegsgeschehens. Ebenso besonders ist die Entstehungsgeschichte des Films: Eine westdeutsche Produktionsfirma und das DEFA-Studio für Dokumentarfilm in Ostberlin vollbringen die erste deutsch-deutsche Koproduktion überhaupt. (fg)
Position | Metropolis
So 28.4. | 13 Uhr
Zu Gast: Karl Siebig
Q&A: Deutsch
Position: Spanischer Bürgerkrieg
Unversöhnliche Erinnerungen
Klaus Volkenborn, Johann Feindt, Karl Siebig, BRD 1979, 92 min, dt. OF
Zwei bundesdeutsche Biografien wie sie gegensätzlicher nicht sein könnten:
mehr
Henning Strümpell, Bundeswehrgeneral a. D., war als Jagdflieger der Legion Condor Teil der faschistischen Unterstützung für General Franco im Spanischen Bürgerkrieg. Ludwig Stillger hingegen,
gelernter Maurer und in den 1920er-Jahren kommunistisch und gewerkschaftlich organisierter Arbeiter,
kämpfte auf Seiten der Internationalen Brigaden. Die offenherzigen Schilderungen des preußisch-nationalistischen Strümpell sind kritisch betrachtet ein hochaufschlussreiches Panoptikum reaktionärer Ideologiebildung und Geschichtsklitterung, filmisch brillant entlarvt durch die stete Gegenüberstellung mit der unprätentiösen und durchweg sympathischen Darlegung von Stillgers bewegtem Leben und seinem steten Engagement für eine solidarische und friedliche Welt. (fg)
Position | Metropolis
So 28.4. | 15 Uhr
Podiumsgespräch mit allen Gästen
der vorab gezeigten Filme
Gespräch auf Deutsch
Position: Spanischer Bürgerkrieg
Die Menschheit wird klüger, indem sie aus ihrer Geschichte lernt? Vielleicht!
Podiumsgespräch
Ein aufmerksamer Blick in die Geschichte erhellt die Gegenwart. Wir zeigen zwei Filme zum Spanischen Bürgerkrieg.
mehr
Kurz vor der Europawahl und drei richtungsweisenden Landtagswahlen in Deutschland scheint ein Wahlerfolg des Faschisten Höcke alles andere als ausgeschlossen. Zwischen Juli 1936 und April 1939 tobte in Spanien ein Bürgerkrieg zwischen der Regierung der Zweiten Republik und den Anhängern des faschistischen General Franco. Auf beiden Seiten kämpften auch viele Deutsche. Gemeinsam mit den Vertretern der gezeigten Filme und der Historikerin Claudia Honefeld sprechen wir über die Bedeutung des Bürgerkriegs, die weit über Spanien hinausgeht und bis heute symbolisch für den Kampf gegen den europäischen Faschismus steht. Wie verhält es sich mit der Erinnerungspolitik in Spanien und Deutschland und welche Schlussfolgerungen lassen sich daraus für die Gegenwart ziehen? (fg)
Was hast du gestern geträumt, Parajanov?
Faraz Fesharaki, DE 2024, 82 min, farsi/dt. OmeU
Über seine Webcam hält der in Berlin lebende Filmemacher Faraz Fesharaki mit seinen Eltern in Isfahan und seinem Cousin in Österreich Kontakt.
mehr
Ursprünglich als Videotagebuch gedacht, kompiliert er diese Gespräche aus über zehn Jahren mit alten VHS-Videos, aktuellen Filmaufnahmen und Schrifttafeln zu einem feinsinnigen Familienporträt. In intimen Gesprächen über Alltag, Gefühle, Beziehungen und die Vergangenheit drückt sich die Sehnsucht nach Verbundenheit, nach intergenerationalem Dialog aus. Dabei schimmert hinter der vordergründigen Banalität im Familiären immer wieder Essenzielles durch: Privates Tun und Reden hat im Iran stets politische Implikationen. Ein ganz eigensinniger, poetischer Film voll Humor wie auch Schmerz, von vergangenen und gegenwärtigen Träumen und Hoffnungen. (tg/mr)
Metropolis
So 28.4. | 19 Uhr
Zu Gast: André Siegers,
Simon Quack
Q&A: Deutsch
La Empresa
André Siegers, DE 2023, 94 min, span./engl./dt. OmeU
»Die Deutschen« wollen einen Film drehen und geraten dabei auf Abwege. Statt in Las Vegas finden sie sich im mexikanischen Dorf El Alberto wieder.
mehr
Dort bietet das von Einwohner*innen geführte Feriencamp neben einem Freizeitbad auch Erlebnistouren an: In der »Caminata Nocturna« reenacten Mitglieder der indigenen Community illegalisierte Grenzübertritte in die USA, basierend auf ihren eigenen Erfahrungen. Alles echt: Schlepper*innen, Bandit*innen, Grenzbeamt*innen und unwegsames Gelände. Internationale Filmteams und Tourist*innen stehen Schlange. Die deutschen Dokumentarfilmer halten sich auf Distanz und filmen mit Erlaubnis der Dorfautoritäten die Aktivitäten eines Ökosystems, das den dort Heranwachsenden die Perspektive auf einen anderen Traum bietet als den US-amerikanischen. (mg)
Coconut Head Generation
Alain Kassanda, FR/NG 2023, 89 min, engl./pidgin/yoruba/frz. OmeU
Das Campusleben zwischen Aufbruchstimmung und Stagnation, die Perspektivlosigkeit der Jugend in einer festgefahrenen Gesellschaft.
mehr
Die Universität von Ibadan ist die älteste Nigerias, gegründet 1948 nach britischem Vorbild. Heute sitzen die Studierenden nach Einbruch der Dunkelheit unter spärlichem Licht von Straßenlaternen, um zu lernen. Die Wohnheime sind überfüllt, viele campieren auf den Fluren. Jeden Donnerstag jedoch werfen einige Studierende den Stromgenerator an und laden zum Filmclub ein: Hier drehen die »Coconut Heads« den Spieß um und adressieren die Schranken in den eigenen Köpfen und die des Systems, in dem sie aufwachsen. Alain Kassandas Film rückt die Debattenkultur selbst mit all ihren Untiefen als Hauptdarstellerin in den Vordergrund. (mg)