herzlich willkommen zur 20. dokumentarfilmwoche hamburg
programm
Zur 20 besinnen wir uns auf unser namentliches Versprechen: dokumentarfilmwoche zu sein. Und wir haben wieder viele Gäste eingeladen, weil für uns das Gespräch über die Filme dazugehört. Wir beginnen die Tage im Festivalzentrum in der fux eG in Altona mit Werkstattgesprächen, Diskussionsrunden und Vorträgen. Dort könnt ihr auch unsere Ausstellung besuchen. Nach gemeinsamer Mittagspause gehen wir ins Kino: ins Metropolis, 3001, Lichtmeß oder B-Movie, denn wir bespielen jeweils nur ein Kino am Tag – mit Ausnahme der fux Lichtspiele, in denen wir ergänzende Blicke auf das Programm zeigen und zwei Filme als Wiederholung laufen lassen.
Hier könnt könnt ihr euch das Katalog-PDF und den Programmplan unseres Festivals herunterladen.
Ausstellungseröffnung | Festivalzentrum
Mo 24.4. | 17 Uhr
Zu Gast: Mareike Bernien und Merle Kröger
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Zusätzliche Gespräche, Vorführungen und Einspieler erlauben einen vielschichtigen Blick auf eine Solitärin der deutschen Fernsehgeschichte im dokumentarischen Bereich. „Heute Nacht, wenn die zwei Astronauten auf dem Mond landen, werden Millionen von Fernsehzuschauern sie beobachten, und im Grunde ist es genauso weit weg wie Vietnam, auf der anderen Wohnzimmerseite: die fünfte Wand.“ (Navina Sundaram, Brief an die Eltern, 21. Juli 1969)
Die Türen der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten in Deutschland öffnen sich. Dahinter liegt ein unermesslicher Schatz an Bildungsinhalten, historischen Zeitdokumenten, Filmgeschichte. Um diesen einer diversen Öffentlichkeit zugänglich zu machen, braucht es Modelle künftiger Archivpraxis. ›Die fünfte Wand‹ versammelt Filme, Reportagen, Moderationen, Texte, Briefe und Fotos der Filmemacherin und Redakteurin Navina Sundaram aus 40 Jahren Tätigkeit für das Fernsehen. Extrahiert aus Archiven der ARD sowie aus Sundarams Privatarchiv ist ›Die fünfte Wand‹ ein kuratierter Blick auf deutsche Migrations- und Mediengeschichte. Navina Sundaram steht dabei im Zentrum als Autorin, die journalistisch Position bezieht: zu Internationalismus und Dekolonisierung, Klassenfrage, Rassismus, Einwanderung, zu indischer und bundesdeutscher Politik.
Im Rahmen der dokumentarfilmwoche hamburg wird das Archiv ›Die fünfte Wand‹ in den Ausstellungsraum des Festivalzentrums in der fux eG übertragen. Entlang von fünf Thementagen eröffnet sich hier eine Sichtungs- und Diskussionsplattform, die unter anderem Fragen nach Migration, Geschlechterverhältnissen sowie postkolonialen Strukturen stellt und in Bezug zu heutigen Debatten über Dokumentarfilm, journalistische Ethik und das Medium Fernsehen setzt.
Ausstellungseröffnung: 24. April um 17 Uhr
Öffnungszeiten: 25. bis 29. April, täglich 10 bis 20 Uhr, und am 30. April von 12 bis 18 Uhr
Am 25. und 28. April finden von 14 bis 15 Uhr offene Diskussionen in der Ausstellung mit eingeladenen Gästen statt.
Eröffnung | Metropolis
Mo 24.4. | 20 Uhr
Zu Gast: Jan Peters
Im Anschluss: Bordsteinbar
Eigentlich eigentlich Januar
Jan Peters, D 2022, 100 min, dt. OF mit engl. Übersetzung über Kopfhörer
Drei Minuten Film pro Tag, einen Monat lang. Was Jan Peters bei ›November 1-30‹ und ›Dezember 1-31‹ zum Gesetz erhob, scheiterte im Januar, und das Filmen zog sich bis in den April …
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›Januar‹ fängt dort an, wo ›Dezember 1-31‹ vor zwanzig Jahren aufhörte: im Hubschrauber. In einem »stream of constant thought« fliegt Peters uns durch seinen Alltag, seine Ordnungssysteme und To-do-Listen, vorbei an banalen Wasserschäden oder in den Winterurlaub mit der Familie: Ein Iglu wird gebaut, ›Nanook‹ lässt grüßen. Die Geschichten zerfallen – so oder so – in Bilder, mal mehr, mal weniger gut sichtbar, mal latent eingelagert, mal bunt, mal schwarz-weiß, in Kaffee und Waschsoda entwickelt. Keine „fängt an der richtigen Stelle an“ und „alles bricht nach 3 Minuten ohne Ende ab“. Das ist das Konzept. Das Überdauern der Bilder in die Filmgeschichte hinein scheint jedenfalls auch eine Frage des Klebers zu sein. (jk)
Ausstellung | Festivalzentrum
Di 25.4. | 10 bis 20 Uhr
14 bis 15 Uhr: Gespräch mit Lutz Mahlerwein
›Die fünfte Wand‹
Thementag: Dekolonisierung
14 bis 15 Uhr: Gespräch mit Lutz Mahlerwein (ehem. Redakteur und Auslandskorrespondent der ARD in Neu-Delhi und Peking)
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Aufgewachsen im säkularen Indien nach der Unabhängigkeit, bezeichnet sich Navina Sundaram selbst als »Kind der Nehru-Zeit«. Später, als NDR-Journalistin, berichtet sie in den 70er Jahren über Dekolonisierungsprozesse, die sie solidarisch begleitet. So macht sie den Film ›Solange es noch Tränen gibt‹ über Indiens politische Entwicklung seit der Staatsgründung 1947, reist für ›Die Freiheit und ihr Preis‹ nach Bangladesch kurz nach dessen Unabhängigkeit von Pakistan, berichtet von der Ãœberführung des ermordeten Freiheitskämpfers AmÃlcar Cabral nach Guinea-Bissau oder aus Westsahara nach dem Rückzug der spanischen Truppen für ›Tagesschau‹ und ›Weltspiegel‹. Der Thementag wirft ein Schlaglicht auf diese Zeit, die Sundarams Selbstverständnis als »Stimme des Südens« im deutschen Fernsehen prägt.
Vortrag | Fasiathek
Di 25.4. | 11 Uhr
Zu Gast: Erin und Travis Wilkerson
Vortrag auf Englisch
Kino-I: politicizing the personal + personalizing the political
Ein Vortrag von Creative Agitation
2010 gründeten Erin und Travis Wilkerson das Kunstkollektiv Creative Agitation. In ihrem Vortrag geht es um persönliche Geschichten und darum, wie diese an soziale und politische Entwicklungen geknüpft sind.
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Eine erneute Überprüfung problematischer Familiengeschichten kann Erkenntnisse für die Zukunft liefern, wie größere, drängende Probleme des »Capitalocene« adressiert werden müssten. Den Filmen von Travis Wilkerson widmeten wir bereits 2018 eine Retrospektive.
Todos los sonidos entran adentro
Salka Tiziana, D/E 2022, 26 min, ohne Dialog
Die Schafe kennen den Weg zwischen den Bäumen hindurch. Vereinzelt wird er von heruntergefallenen Ästen blockiert, die der letzte Sturm herunterriss.Â
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Die Schafe halten inne und suchen sich eine neue Schneise. Oft ist nur ihr Blöken zu hören. Aber wir sind nicht auf dem Land, sondern im Casa de Campo, einem weitläufigen Stadtpark in Madrid. Atmosphärische Szenen reihen sich aneinander, sie laden dazu ein, sich auf den Pfaden der Schafe, Schäfer*innen und ihrer Hunde zu verlieren. Und immer wieder tritt die Stadt ins Bild. Hier der Schatten einer Seilbahn, dort Umrisse einer Achterbahn über den Baumkronen. Lämmer werden von einem Transporter abgeholt. Ein einsamer Boxer tritt gegen die umliegenden Bäume an, die Metro hält quietschend in der Nähe. Dann bricht die Nacht herein. Die Schafe kommen zur Ruhe, die Kröten übernehmen – und am Horizont flimmert die Stadt. (sp)
Kayu Besi
Andrianus »Oetjoe« Merdhi, Max Sänger, D/IDN 2022, 
28 min, indones./javan. OmeU
Auf der Suche nach Edelhölzern arbeiten sich Holzfäller durch die tropischen Regenwälder auf der Insel Westpapua in Indonesien.Â
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Das illegale Abholzen ist eine mühselige Arbeit unter Extrembedingungen. Behutsam beobachtet der Film das prekäre Geschäft der Holzfäller und offenbart in den Untiefen des Waldes einen schwer auszuhaltenden Widerspruch. Die Zerstörung des Waldes entzieht den Menschen die Lebensgrundlage und scheint zugleich die einzige Möglichkeit, ein bescheidenes Einkommen für die Familien zu generieren. Spätestens mit dem kleinteiligen Abtransport des Holzes verweist der Film auch auf eine problematische Handelskette, an deren Ende ein internationaler Markt mit seinem unstillbaren Hunger nach der knappen Ressource steht. (mr)
Special | B-Movie
Di 25.4. | 17 Uhr
Mit Gästen
Special: To an absent friend – Erinnerung an Martin Heckmann
Gemeinsam mit der Kurzfilm Agentur Hamburg erinnern wir an unseren Freund, Kollegen und Weggefährten Martin Heckmann, der Ende 2022 völlig unerwartet gestorben ist.
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Filmprogramm:Â
Ulli
Die toten Vögel sind oben
Sönje Storm, D 2022, 85 min, dt. OmeU
Der Bauer Jürgen Mahrt sammelt ab 1914 Schmetterlinge, erlernt das Fotografieren und legt ein naturkundliches Archiv der ihn umgebenden Landschaft an, das Elsdorfer Gehege in Schleswig-Holstein.
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In dieser Zeit beginnt auch sein Tagebuch, in dem er festhält, dass bestimmte Tier- oder Pflanzenarten seltener werden oder gar nicht mehr vorkommen. Mahrt arrangiert die von ihm ausgestopften Tiere in Feld und Flur, fotografiert sie für die seinerzeit populären Sammelbildalben. Sein Nachlass, bestehend aus Fotos, Notizen, Sammelkästen und Tierpräparaten, liefert bis heute Daten zum Artensterben und zeugt von Landschaften und Tieren, die durch den Eingriff des Menschen fast verschwunden sind. Eine Annäherung der Filmemacherin an den unbekannten und in mancher Hinsicht rätselhaften Urgroßvater und sein beeindruckendes Archiv. (jk)
Klassenverhältnisse am Bodensee
Ariane Andereggen, Ted Gaier, D/CH 2022, 82 min, dt. OmeU
Was zu sehen ist, wenn sich der Nebel am Ufer des Bodensees lichtet und einen Blick auf den idyllischen Ort Ermatingen gewährt, kann keine Selbstverständlichkeit sein.Â
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Diese Annahme führt die Filmemacherin zurück in ihren Schweizer Heimatort. Dort befragt sie sowohl ihre eigene Biografie als auch die ihrer Familienangehörigen und ehemaligen Klassenkamerad*innen nach dem Einfluss von sozialer Herkunft auf ihre Leben. Das zugrunde liegende Interesse am Begriff einer Klassengesellschaft streift die Industriegeschichte im 20. Jahrhundert und die darin eingeschriebene Arbeitsmigration bis hin zur heutigen neuen Anwohnerschaft in ihren Villen. So stellt der audiovisuell vielseitige Videoessay das neoliberale Paradigma von Chancengleichheit und selbstbestimmten Lebensentwürfen zur Diskussion. (mr)
Ausstellung | Festivalzentrum
Mi 26.4. | 10 bis 20 Uhr
›Die fünfte Wand‹
Thementag: Migration und Rassismus in der BRD
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1964 kommt Sundaram mit 19 Jahren nach Hamburg und beginnt eine Ausbildung beim Norddeutschen Rundfunk. Sechs Jahre später ist sie die erste festangestellte Redakteurin of Color im politischen Zentrum der ARD, der Hauptabteilung »Zeitgeschehen«. Neben internationaler Politik setzt sie sich zunehmend mit innenpolitischen Fragen auseinander, insbesondere der Verschränkung von Migration, Rassismus und Asylpolitik. Der Thementag kompiliert verschiedene Features und Beiträge, die das komplexe Thema des alltäglichen und institutionellen Rassismus in der Bundesrepublik bearbeiten – einem Land, das sich ausdrücklich nicht als Einwanderungsland versteht und durch den Anwerbestopp 1973 sowie die abschreckende Asylpolitik der 80er Jahre dauerhafte Immigration zu unterbinden versucht.
Position | Fasiathek
Mi 26.4. | 11 Uhr
Zu Gast: Bernadette Vivuya und Ganza Buroko
Gespräch auf Französisch und Englisch
Position: Koloniale Aufarbeitung im Dokumentarfilm
„I no longer recognize myself in all these images that speak of me“
Werkstattgespräch mit Bernadette Vivuya und Ganza Buroko
Vor zwei Jahren haben wir uns bereits mit verschiedenen Perspektiven auf das koloniale Erbe und dessen Gegenwart im Dokumentarfilm beschäftigt.
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Das setzen wir fort: Wir zeigen mit ›Stop Filming Us but Listen‹ die seinerzeit bereits angekündigte kongolesische Überarbeitung des niederländischen Films von Joris Postema. Dessen ›Stop Filming Us‹ läuft ergänzend in den fux Lichtspielen. Mit Bernadette Vivuya ist eine Hälfte des Regieteams zu Gast, ebenso wie erneut Ganza Buroko, Kulturmanager aus Burkina Faso und Produzent von ›Stop Filming Us but Listen‹. Beide sind im Kultur- und Bildungszentrum Yolé!Africa in Goma aktiv, und wir werden mit ihnen über den Umgang mit kolonialen Bildern und Blickregimen und Produktionsbedingungen im zeitgenössischen Dokumentarfilm sprechen.
> Stop filming us but listen
> Stop filming us
Position | 3001
Mi 26.4. | 14 Uhr
Zu Gast: Bernadette Vivuya und Ganza Buroko
Q&A auf Französisch und Englisch
Position: Koloniale Aufarbeitung im Dokumentarfilm
Stop Filming Us but Listen
Bernadette Vivuya, Kagoma Ya Twahirwa, DRC/NL 2022, 72 min, frz./engl. OmeU
Ein niederländisches Filmteam dreht 2020 in der Demokratischen Republik Kongo einen Dokumentarfilm über die lokale Kunst- und Filmszene und wird währenddessen zunehmend mit der eigenen Rolle, der eines weißen Filmteams in einem afrikanischen Land, konfrontiert.
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Die Rede ist von ›Stop Filming Us‹ von Joris Postema (siehe Seite 68), den wir vor zwei Jahren gezeigt haben. In ›Stop Filming Us but Listen‹ entwickeln nun zwei kongolesische Regisseur*innen diese Fragestellungen weiter. Sie eignen sich Postemas Material an, verwerfen und rekontextualisieren es. Eine zentrale Rolle in der Auseinandersetzung mit dem Erbe kolonialer Blickregime spielt dabei das Kulturzentrum Yolé!Africa in Goma, in dem die Regisseur*innen und der Produzent engagiert sind. (mg)
Ours
Morgane Frund, CH 2022, 20 min, frz./schweizerdt./dt. OmeU
Der Amateurfilmer Urs hat unzählige Aufnahmen von wild lebenden Bären auf Videokassetten gesammelt und möchte, dass jemand einen Film daraus schneidet.Â
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Die Studentin Morgane Frund willigt ein, sein Videoarchiv zu digitalisieren. Dabei entdeckt sie, dass Urs nicht nur Bären filmte: Immer wieder zoomt der Amateurfilmer auf nackte Beine und ins Dekolleté junger Frauen – offensichtlich ohne deren Einverständnis. Als die Filmemacherin ihn mit seinem objektifizierenden Blick konfrontiert, entsteht ein Gespräch über Voyeurismus, Macht und die gewalttätige Dimension des »male gaze«. Auf formaler Ebene eröffnet das präzise montierte Aufeinandertreffen von idyllischen Tieraufnahmen und voyeuristisch betrachteten Frauenkörpern einen Metadiskurs über Blick- und Machtdynamiken beim dokumentarischen Filmemachen. (ek)
Tara
Francesca Bertin, Volker Sattel, D/I 2022, 86 min, ital. OmeU
Bei Taranto, Standort des größten Stahlwerks in Europa, schlängelt sich der kleine Fluss Tara, auch Fluss des Glücks genannt, durch Schilflandschaften ins Mittelmeer.
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Von der Topografie dieses Flusses ausgehend und den Menschen, die sich an ihm aufhalten, nähern sich Francesca Bertin und Volker Sattel behutsam und fragmentarisch dem Ort an und legen Stück für Stück die Zusammenhänge einer komplexen Vergangenheit und Gegenwart frei. Vielstimmig und offen erzählt ›Tara‹ von wirtschaftlicher Ausbeutung und den Anfängen der Industrialisierung, der gigantischen Umweltverschmutzung sowie den Mythen, die die Landschaft umgeben, und den Menschen, die in prekären Zuständen leben und überleben. (sh)
Für die Vielen – Die Arbeiterkammer Wien
Constantin Wulff, AUT 2022, 120 min, dt. OmeU
Ein Film über die österreichische Arbeiterkammer,eine gesetzliche Interessenvertretung für Arbeitnehmer*innen – einzigartig in Europa.Â
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Während der Dreharbeiten beginnt die Corona-Pandemie, und der ohnehin schon im permanenten Krisenmodus laufende Arbeitsmarkt wird hart getroffen. Und so tritt doch die strukturelle Misere neoliberalisierter Arbeitsverhältnisse umso deutlicher zutage, für den Film ironischerweise fast ein Glücksfall, denn aus der reinen Beobachtung erwächst ungeteilte Empathie: ›Für die Vielen‹ ist das Porträt einer Institution, die – stets freundlich und geduldig – berät, schlichtet, vor Gericht zieht, kulturelle Angebote organisiert, wirtschaftswissenschaftliche Diskurse vermittelt und seit nunmehr 100 Jahren für Gerechtigkeit streitet. Direct Cinema at its best! (mg)
Foragers
Jumana Manna, Palästinensische Gebiete 2022, 64 min, arab./hebr. OmeU
›Foragers‹ ist eine hyperrealistische Parabel auf eine gesellschaftspolitische Konstellation in einem im wahrsten Sinne umkämpften Territorium.
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Das israelische Naturschutzgesetz verbietet das Pflücken von Akkoub (eine Art Artischocke) und Za’atar (wilder Thymian), zweier Pflanzen, die traditionell auf den Speiseplan der palästinensischen Küche gehören. Viele sammeln sie seit Generationen, auch auf den Hängen der Westbank. Im Film treffen echte Kräutersammler*innen auf Wildhüterdarsteller, nachgestellte Gerichtsszenen auf Fernseharchivbilder oder Westernzitate und bieten einen durchaus humorvollen Einblick in eine komplexe Situation. Stärkster dokumentarischer Moment ist einmal mehr vielleicht das Nichtgesagte, im Interview mit einem israelischen Plantagenbesitzer. (mg)
Ausstellung | Festivalzentrum
Do 27.4. | 10 bis 20 Uhr
›Die fünfte Wand‹
Thementag: Kultur im Bild
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Dieser Thementag ist dem kulturellen Transfer, den An- und Umeignungsstrategien gewidmet. In ›Bharata Natyam‹ zerlegt Sundaram den gleichnamigen indischen Tanz in seine einzelnen Motive und vermittelt ihn spielerisch einem deutschen Fernsehpublikum. Das erwachende westliche Interesse an der Hare-Krishna-Bewegung sowie an transzendentaler Meditation und Yoga werden in ›Auf dem Weg zur Glückseligkeit‹ befragt. In ›Reden, meine Droge – Singen, mein Sex …‹ stellt die indische Jazzsängerin Asha Puthli westliche Vorstellungen der asiatischen Frau provokativ auf den Kopf. Ein Interview mit dem Autor Salman Rushdie thematisiert die literarische Enteignung der englischen Sprache. Das Programm endet mit einem Film Sundarams über ihre Tante, die Malerin Amrita Sher-Gil, die heute als Begründerin der indischen Moderne gilt.
Werkstattgespräch | Fasiathek
Do 27.4. | 11 Uhr
Zu Gast: Sylvain George
Gespräch auf Englisch
„I make the films I want to see, films that I feel are an emergency“
Werkstattgespräch mit Sylvain George
Sylvain George realisiert Dokumentarfilme zu den Themen Migration und soziale Bewegungen.
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Sie sind von avantgardistischen, experimentellen Formen und den Schriften Walter Benjamins beeinflusst. Wir freuen uns, in einem Werkstattgespräch mit ihm in einen Austausch über ethische und politische Fragen seiner Filmpraxis und das kinematografische Medium als mächtiges politisches Werkzeug zu treten.
Lichtmess
Do 27.4. | 14 Uhr
Zu Gast: Luise Müller und Protagonist*innen
Nördlich von Libyen
Luise Müller, D/AUT, 60 min, dt. OmeU
›Nördlich von Libyen‹ beginnt als ein Porträt zweier Hamburger Aktivist*innen, Dariush und Antje, die sich seit vielen Jahren gegen rassistische EU-Grenzpolitiken engagieren.
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So ist Kapitän Dariush einer der 21 Angeklagten, die in Italien wegen »Beihilfe zu unerlaubter Einwanderung« vor Gericht stehen. Die Arbeit beider vor Ort, auf den von privaten Initiativen betriebenen Rettungsschiffen, wie auch in den Lagern, beispielsweise auf Moria, sind ebenso wie Öffentlichkeitsarbeit gegen das menschenverachtende europäische Grenzregime Teil ihres Alltags – zwischen zwei Welten – geworden. So wird der Film vom Porträt zum engagierten Bekenntnis einer linken zivilgesellschaftlichen Szene, die sich gegen diese Politik organisiert. (mg)
Lichtmess
Do 27.4. | 16 Uhr
Zu Gast: Benjamin Hassmann
Within Sights
Benjamin Hassmann, D 2022, 30 min, dt. OmeU
Ein Löwe brüllt, Papageno bewegt sich mit dem Wind, vereinzelt noch sind Gesichter von Masken geschmückt.Â
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Der Filmemacher Benjamin Hassmann zeigt Venedig in den Überresten eines abgesagten Karnevals. Hin und wieder erblickt er seinen Großvater durch die Kamera, der selbst mit kindlicher Lust und seinem Fotoapparat die Stadt erkundet. Häufig scheinen die Szenen aus dem beinahe quadratischen Bild zu fallen – und werden doch gerade noch so eingefangen. Diese Beobachtungen am Rande und monumentale Inszenierungen in der Bildmitte machen ›Within Sights‹ zu einer ergiebigen Schatzsuche nach unergründbaren und alltäglichen Momenten, in denen sich kleine Freuden und große Dramatik die Hand geben. (sp)
Special 20 Jahre | fux Lichtspiele
Do 27.4. | 16 Uhr
Zu Gast: Lenka Ritschny
Special: Ninas Farbfilm
Lenka Ritschny, D 2015, 77 min, dt. OmeU
Was gibt es Besseres, als alle Freund*innen zum Friseur einzuladen oder beim Champagnertrinken an der Spree abzuhängen? Hauptsache, das ganze Hartz-IV-Geld auf einmal und schnell ausgeben.
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Aus Toni Eckstein, aufgewachsen in Sachsen-Anhalt, mit einer frühen Vorliebe für Schminke und Stöckelschuhe, wird Nina – nach ihrem Vorbild Nina Hagen. Die Jugend jenseits der vorgegebenen Rolle als Junge führt über den Wunsch, sich weder ein- noch unterordnen zu lassen, zu Gewalterfahrungen, in verschiedene Psychiatrien und schließlich zum Leben auf der Straße in Berlin … ›Ninas Farbfilm‹ ist das beeindruckende Porträt einer Person, die sich nichts sagen und vorschreiben lässt und die auf einem vermeintlich vorgezeichneten Weg von Schmerz und Leid mit Humor und Reflexionsvermögen überrascht. (fg)
Retreat
Anabela Angelovska, D/MKD 2022, 30 min, mazedon./serb./engl. OmeU
„Wenn du kein Haus gebaut hast, hast du nicht gelebt.“ Eine durchaus verbreitete Lebensweisheit, nicht nur auf dem Balkan.Â
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Straßenzüge mit Neubauvillen eklektizistischer Spielart, teure Autos, ein Disney-Kindergeburtstagsparadies – im strukturschwachen Nordmazedonien eher Ausnahme als Regel. Nato und US-Armee rekrutierten seit 2003 Zigtausende von jungen Nordmazedonier*innen für die Arbeit in Afghanistan und im Irak, quasi für den Maschinenraum der dortigen militärischen Infrastruktur. Gut bezahlte Jobs, die es den Menschen ermöglichten, zu Hause in Immobilien zu investieren. Aber um welchen Preis? Dieser Frage spürt der Film auch nach, denn ein Großteil der Arbeitsmigrant*innen kehrte mit dem Rückzug der US-Armee aus Afghanistan traumatisiert zurück. (mg)
Position | fux Lichtspiele
Do 27.4. | 18 Uhr
Zu Gast: Bernadette Vivuya und Ganza Buroko
Q&A auf Französisch und Englisch
Position: Koloniale Aufarbeitung im Dokumentarfilm
Stop Filming Us
Joris Postema, NL 2020, 95 min, frz./engl. OmeU
Als Ergänzung zu ›Stop Filming Us but Listen‹ und dem Werkstattgespräch mit Bernadette Vivuya und Ganza Buroko zeigen wir noch mal ›Stop Filming Us‹ von Joris Postema – der Film, der gewissermaßen alles ins Rollen gebracht hat.
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Joris Postema und sein niederländisches Team drehen 2020 im Kongo und sind im Verlauf der Dreharbeiten zunehmend mit Problemen konfrontiert: Wie wirkmächtig sind die kolonialen Blickregime bis heute, und wie stellt man sich ihnen? ›Stop Filming Us‹ geht diesen Fragen im Selbstversuch nach und initiiert so eine Auseinandersetzung zwischen dem Kongo und Europa: ein filmischer Dialog über neokoloniale Verhältnisse und unterschiedliche Zugänge zu Produktionsmitteln. (mg)
Position | Lichtmess
Do 27.4. | 19 Uhr
Einführung: Borjana Gaković
Zu Gast: Johann Feindt
Position: die Dokumentaristin Tamara Trampe
Meine Mutter, ein Krieg und ich
Tamara Trampe, Johann Feindt, D 2014, 78 min, russ./dt. OmeU
Nur zögernd öffnen die Alten dem Filmteam aus »Hitlerland« ihre bescheidenen Häuschen in den ukrainischen Dörfern.
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Tamara Trampe reist auf der Suche nach den unbeantworteten Fragen ihrer eigenen Familiengeschichte in das Land, in dem sie die ersten Jahre ihres Lebens verbrachte. Sie kam im Winter 1942 in der Sowjetunion an der Front zur Welt. Ihre Mutter, eine ukrainische Krankenschwester der Roten Armee, kann über ihre traumatischen Erlebnisse erst kurz vor ihrem Tod sprechen. Die tief vergrabenen Erinnerungen der Kriegsveteraninnen und des einzig verbliebenen Onkels verwebt dieser liebevolle Film mit Familienfotos und den von Trampe gesprochenen Szenen ihrer Kindheit. „Jeder hat etwas anderes erlebt“, sagt die Mutter. Die Traumata des Krieges und die Fragen danach bleiben universell. (as)
Special 20 Jahre | fux Lichtspiele
Do 27.4. | 21 Uhr
Zu Gast: Rasmus Gerlach
Special: Unity, Putzi und Blondi
Rasmus Gerlach, D 2003, 71 min, dt. OF
Die Geschichten sind bisweilen so bizarr, dass man sich in einer Mockumentary wähnt:
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Der Regisseur lauscht den Anekdoten eines früheren Leibwächters Adolf Hitlers auf der Hollywoodschaukel, wenn der etwa zum Besten gibt: „Hitler hätte man einfach überall stehlen können.“ Das Treiben und Wirken der Unity Valkyrie Mitford, einer britischen Adeligen und Verehrerin des »Führers«, wird entfaltet, während parallel US-Geheimdienstler*innen von ihren Versuchen berichten, dem Diktator in den Kopf zu kriechen: die ersten Ansätze für die Methoden des Profiling. Verstörende Momente mit NS-Chargen aus der dritten und vierten Reihe wechseln sich mit historischem Footage und Voice-over ab. Der Essayfilm von Rasmus Gerlach feierte seine Premiere auf der ersten dokumentarfilmwoche hamburg 2004. (jk)
Nuclear Family
Erin und Travis Wilkerson, USA/SGP 2021, 96 min, engl. OF
Ausgangspunkt für diesen filmischen Roadtrip sind Travis Wilkersons Albträume vom Atomkrieg nach der Wahl Donald Trumps.
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Bereits in den 70er Jahren unternahmen seine Eltern Familienausflüge zu Montanas Raketenstationen. Videoaufnahmen der Ausflüge zeichnen ein düsteres Bild der US-Gesellschaft: Verstörend simpel werden die Atombomben auf Nagasaki und Hiroshima gerechtfertigt, der Vietnamkrieg und und der Kalte Krieg mit der Abwehr eines »Feindes von außen« begründet. Um sich mit dieser Angst zu konfrontieren, brechen Travis und Erin Wilkerson mit ihren Kindern erneut zu den Raketenstationen und Testsites auf. Bilder von Kleinstädten, Berglandschaften, Prärien und Wüsten, häufig Naturschutzgebiete und Reservate, zeugen von verseuchter Erde und davon, wie der Mythos der »Great Nation« auf der kolonialen Invasion weißer Siedler*innen und dem Genozid an den Native Americans aufgeschichtet liegt. Die Gefahr durch das nukleare Material im eigenen Land könnte größer sein als die Wahrscheinlichkeit, dass eine feindliche Atombombe über den USA abgeworfen wird. (jk)
Ausstellung | Festivalzentrum
Fr 28.4. | 10 bis 20 Uhr
14.00 bis 15.00 Uhr: Offenes Gespräch mit Mareike Bernien und Merle Kröger
›Die fünfte Wand‹
Thementag: Feministische Perspektiven
14.00 bis 15.00 Uhr: Offenes Gespräch mit Mareike Bernien und Merle Kröger (Kuratorinnen „Die fünfte Wand“)
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Im Bericht ›Frauenhäuser überbelegt‹ aus dem Jahr 1983 hält Sundaram der bundesrepublikanischen Gesellschaft einen Spiegel vor, wenn es um den vermeintlich fortschrittlicheren Charakter westlicher Zivilisation geht. Für sie bedeutet, über Gleichstellung zu reden immer auch, über ökonomische Verteilung, globale Abhängigkeiten und Arbeitsbedingungen zu reden, wie das Interview mit den Herausgeberinnen des indischen Magazins ›Manushi‹ zeigt. Das Feature ›Hinter jedem Vorhang eine Geschichte‹ porträtiert einen Theaterworkshop in Kasauli, bei dem kollektiv bestehende und überlieferte Frauenbilder reflektiert und in einer feministischen Lesart szenisch neu interpretiert werden. Dieser Thementag schließt mit einem scharfen Kommentar Navina Sundarams in den ›Tagesthemen‹ zur Debatte über den Paragrafen 218.
Position | Fasiathek
Fr 28.4. | 11 Uhr
Zu Gast: Johann Feindt, Matthias Dell, Jule Cramer und Borjana Gaković
Position: die Dokumentaristin Tamara Trampe
Podiumsdiskussion
Die Dokumentaristin Tamara Trampe wurde am 4. Dezember 1942 auf einem Schneefeld bei Woronesch in der Sowjetunion geboren.
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Ihre Mutter, eine Krankenschwester der Roten Armee, bringt sie danach zu ihrer Familie in die Ostukraine, wo sie bei ihrer Großmutter aufwächst. Die Mutter selbst kehrt an die Front zurück. Ihren leiblichen Vater lernt sie nie kennen. Mit sieben Jahren zieht sie mit ihrer Mutter und deren Mann, einem deutschen Kommunisten, Spanienkämpfer und KZ-Überlebenden, in die DDR.
Sie macht Abitur in Halle und studiert Germanistik, Slawistik und Kunstgeschichte an der Universität Rostock. 1965 erhält sie ihr Diplom. Danach arbeitet sie drei Jahre beim ›Forum‹, einer Studierendenzeitung in der DDR. Nachdem sie Flugblätter gegen den Einmarsch sowjetischer Truppen in Prag verteilt, fliegt sie raus. Sie kellnert. In der Kneipe lernt sie zwei Regisseure kennen, die sie als Dramaturgin an das Arbeitertheater in Eisenhüttenstadt vermitteln und später zum Film bringen, bei der DEFA.
Seit den 70er Jahren begleitet Tamara Trampe als Dramaturgin und Beraterin rund 90 Filmprojekte, unter anderem von Iris Gusner, Herrmann Zschoche, Helga Rademeister oder Ulrich Weiß. Ihren ersten kurzen Dokumentarfilm als Regisseurin, ›Ich war einmal ein Kind‹ realisiert sie noch bei der DEFA 1986, aber erst ab den 90er Jahren widmet sie sich ihren eigenen Regieprojekten, immer in Zusammenarbeit mit Johann Feindt, den sie 1983 in Leipzig kennenlernt und mit dem sie seitdem in einer Beziehung lebt (anfangs noch durch die Mauer getrennt). Obwohl sie vergleichsweise wenige Filme als Regisseurin unterzeichnet, hinterlässt sie gerade mit ihren Regiearbeiten einen ungeheuer wichtigen Beitrag, insbesondere im Kontext der dokumentarischen Auseinandersetzung mit langen, traumatisierenden Nachwirkungen von Kriegen und instrumentalisierter staatlicher Gewalt. Ihr Interesse an den Tätern war ein Besonderes, genauso wie ihre einzigartigen Gesprächstechniken, mit welchen sie ihre Protagonist*innen ungezwungen und unmittelbar zum Sprechen bringt. Ohne irgendetwas zu beschönigen oder zu relativieren, begegnet sie ihnen menschlich und versucht zu ergründen, wie sie so wurden, was sie sind.
Ab 1993 ist sie Mitglied der Auswahlkommission bei DOK Leipzig und auch kuratorisch tätig. Sie reist in die Staaten der ehemaligen Sowjetunion auf der Suche nach neuen spannenden Dokumentarfilmen. Sie ist gut vernetzt und macht Entdeckungen außerhalb der offiziellen Filmstudios.
Seit 2016 war Tamara Trampe Mitglied der Akademie der Künste. 2018 erhielt sie den Preis der DEFA-Stiftung für herausragende Leistungen im deutschen Film. Im September 2021 wurde sie mit dem Ehrenpreis des Verbandes der deutschen Filmkritik ausgezeichnet. Am 4. November 2021 ist Tamara Trampe mit 78 Jahren in Berlin gestorben.
Die dokumentarfilmwoche hamburg widmet der Ausnahmedokumentaristin nun eine Hommage und zeigt zwei ihrer Regiearbeiten, die durch den Krieg in der Ukraine eine traurige Aktualität erfahren: die autobiografische Spurensuche ›Meine Mutter, ein Krieg und ich‹ (2014) und ›Weiße Raben – Alptraum Tschetschenien‹ (2005) über junge russische Soldaten und Armeeangehörige, die im Krieg zu Tätern werden – und gleichzeitig selbst Opfer sind. (Borjana Gaković)
Mit einem Podiumsgespräch erinnern wir an Tamara Trampe und haben dazu Menschen eingeladen, die sie lange gekannt und begleitet haben, oder sich mit ihrem Werk eingehend beschäftigten. Wir freuen uns, ihren langjährigen Partner und Co-Regisseur ihrer Filme, Johann Feindt, den Filmjournalisten Matthias Dell, die Bildgestalterin Jule Cramer und die Filmwissenschaftlerin Borjana Gaković zu begrüßen.
Position | Metropolis
Fr 28.4. | 14 Uhr
Einführung: Borjana Gaković
Zu Gast: Johann Feindt
Position: die Dokumentaristin Tamara Trampe
Weiße Raben – Alptraum Tschetschenien
Tamara Trampe, Johann Feindt, D/F 2005, 92 min, russ./dt. OmeU
„Aus dem Krieg kehrt keiner zurück, wie er ging. Kommt er zurück, ist er ein Fremder. Ein weißer Rabe unter den schwarzen.“
mehr
In eindrücklichen Gesprächen mit blutjungen versehrten russischen Soldaten, einer Sanitäterin und Soldatenmüttern nähert sich Tamara Trampe dem Grauen des Tschetschenienkriegs. Fotos zeigen die Soldaten in imperialen Posen; das Video eines eingebetteten russischen Fotografen hält eine »Säuberung« fest. ›Weiße Raben‹ ist dabei nicht nur ein Film über den Krieg im Kaukasus. Es ist ein Film, der vom Tschetschenienkrieg handelt, aber auch auf jeden anderen Krieg weist, in dem junge Männer zu brutalen Mördern werden, und zu Opfern des Krieges. Der Film zeigt genau diesen Zusammenhang: Die Täter sind auch Opfer, und sie bleiben zugleich Täter. (tg)
www.cargo-film.de/heft/49/gespraech/print/tamara-trampe/
www.zeroone.de/movies/weisse-raben-alptraum-tschetschenien/
www.grimme-preis.de/archiv/2007/preistraeger/p/d/weisse-raben-alptraum-tschetschenien-zdfarte
Special | fux Lichtspiele
Fr 28.4. | 16 Uhr
Zu Gast: Peter Nestler und Rainer Komers (Kamera)
Special: Sinti*zze und Rom*nja im Dokumentarfilm
Der offene Blick
Peter Nestler, D/AUT 2021, 101 min, dt. OmeU
Parallel zu Nestlers ›Unrecht und Widerstand‹ entstanden, stellt der Film Künstler*innen der Sinti*zze und Rom*nja vor, die in ihren Werken häufig auch ihre leidvollen Erfahrungen mit Verfolgung und Diskriminierung verarbeitet haben.
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Gitta Martl und ihre Tochter Nicole Sevik etwa gedenken der Opfer im österreichischen »Zigeuneranhaltelager« Weyer durch das Lesen kurzer Texte – außer einer Reihe von 32 Farbdias ist von diesen Menschen, 1941 nach Polen deportiert, nichts geblieben. Jovan Nicolić stammt aus einer jugoslawischen Musikerfamilie und erzählt in Kurzgeschichten von seiner Kindheit. Auch wirft der Film einen bildkritischen Blick auf die stereotype Darstellung der Minderheit in der Geschichte des Films und der Künste selbst und wird gerahmt durch ein eindrucksvolles Konzert der Roma und Sinti Philharmoniker. (rg)
Ausstellung | Metropolis
Fr 28.4. | 16.30 Uhr
Zu Gast: Mareike Bernien und Merle Kröger
Präsentation und Gang durch das Onlinearchiv ›Die fünfte Wand‹
Im Anschluss der Film:
Darshan Singh will in Leverkusen bleiben
Navina Sundaram, D 1973, 43 min, dt. OmeU
1972 müssen 30.000 asiatische Einwohner*innen mit britischem Pass Uganda verlassen. Anlass ist eine »göttliche Eingebung« des Präsidenten Idi Amin.
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Die Einwanderungsgesetze in Großbritannien erschweren ihre Aufnahme; rechte Demonstrant*innen empfangen sie dort mit der Parole »Take them back«. Die Bundesrepublik bietet an, bis zu 1000 Menschen aufzunehmen: Nur 30 entscheiden sich für die Ausreise nach Deutschland. Sundaram begleitet zwei Familien in ihr neues Leben in Unna und Leverkusen. Sie erfahren Solidarität und Neugier, auch rassistische Vorurteile. Sundaram wagt sich in die Konfliktzonen vor: Ehemalige Aussiedler*innen hetzen gegen asiatische Familien, die wiederum gegen die ehemaligen Landsleute in Afrika – am Ende erhalten alle eine Stimme, es entsteht ein Plädoyer für das Miteinander in einem Einwanderungsland.
Nuit Obscure
Sylvain George, F/CH 2022, 265 min, marokk.-arab./frz./span. OmeU
Von Melilla aus versuchen zahlreiche Menschen nach Europa zu gelangen.
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Die an Marokko grenzende spanische Exklave ist Pufferzone: Teil der EU, verortet auf dem afrikanischen Kontinent. Über mehrere Jahre begleitet Sylvain George dort junge Männer in ihrem Alltag und bei den erfolglosen Versuchen, übers Meer nach Europa zu kommen – das Versprechen eines besseren Lebens in Form der Trasmediterranea-Fähren zum Greifen nah. Der Film folgt den teils noch Minderjährigen beim ausgelassenen Herumalbern am Strand wie auch beim Überwinden von Stacheldrahtzäunen. In eindrucksvoll komponierten Schwarz-Weiß-Bildern zeigt ›Nuit obscure‹ das gemeinschaftliche Zusammenleben der Männer in Obdachlosigkeit, den täglichen Kampf ums Überleben, die Frustration über wiederholt scheiternde Fluchtanläufe und die durch das erzwungene Verharren entstehende Resignation. Sylvain George kommt seinen Protagonisten dabei auf eine respektvolle, bisweilen zärtliche Art nahe und findet in der Vermessung des Ortes und der Gemeinschaften immer wieder auch Augenblicke von Schönheit. Ein schonungsloser, aufmerksamer Blick auf die Auswirkungen der europäischen Migrationspolitik und zugleich ein zutiefst humanistischer Film über den Traum von Freiheit. (ek)
Produktionsfirma: www.alinafilm.com/nuit-eng
Interview
Special | fux Lichtspiele
Fr 28.4. | 19 Uhr
Zu Gast: Rainer Komers
Special: Sinti*zze und Rom*nja im Dokumentarfilm
Rainer Komers, D 1980, 37 min, dt. OF
Zigeuner* in Duisburg
Rainer Komers porträtiert drei Generationen der Familie Mettbach, die der Minderheit der Sinti*zze angehört.
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Lange lebte die Familie auf einem Wohnplatz in der Lehmstraße am Duisburger Stadtrand. Komers kommentiert nicht viel, er hört den Erzählungen der Familienmitglieder zu. Am Ende wird der Platz geräumt, die Bewohner*innen vertrieben … 1980 in Oberhausen mit dem Preis der deutschen Filmkritik ausgezeichnet. (rg)
*Anmerkung zum Filmtitel: Sinti*zze und Rom*nja mit dem Z-Wort zu bezeichnen (auch als Selbstbezeichnung), war in den 80er Jahren noch eine gängige Praxis, was wir nicht reproduzieren möchten. Der Filmtitel und die Ausführungen im Film selbst sind ein historisches Dokument. Wir zeigen den Film, weil er einer der ersten ist, bei denen Sinti*zze selbst zu Wort kommen und über ihre Situation in Deutschland berichten.
Ausstellung | Festivalzentrum
Sa 29.4. | 10 bis 20 Uhr
›Die fünfte Wand‹
Thementag: Politik in Indien
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Beginnend mit einem Feature über den Freiheitskämpfer Subhas Chandra Bose, der im faschistischen Deutschland eine indische Legion aufbaute, springt der Tag direkt ins indische Wahljahr 1980 und porträtiert das Dorf Beelba, anhand dessen Gesellschaftsstrukturen und Mechanismen der politischen Meinungsbildung nachgezeichnet werden. Soziale und ökologische Auswirkungen der Entwicklungshilfe werden in ›Hilfe, die Weltbank kommt‹ kritisch beleuchtet. Und in ›Bhopal: Acht Jahre danach‹ werden die Spätfolgen des Chemieunfalls gezeigt. Die Beiträge für ›Tagesthemen‹ und ›Weltspiegel‹ kurz nach der Erstürmung der Babri-Moschee in Ayodhya 1992 durch hindu-nationalistische Fundamentalisten geben einen Ausblick auf die heutige politische Situation in Indien, in der die hindu-nationalistische BJP seit 2014 regiert.
Buchvorstellung | Fasiathek
Sa 29.4. | 11 Uhr
Zu Gast: Alejandro Bachmann und Birgit Kohler (Moderation)
Gespräch zur Publikation ›Österreich real: Dokumentarfilm 1981–2021‹ (Filmarchiv Austria)
Dokumentarfilm. Geschichte. Schreiben
Die von Alejandro Bachmann und Michelle Koch herausgegebene Publikation ›Österreich real: Dokumentarfilm 1981–2021‹ beschreibt in 25 langen Beiträgen, 54 kurzen zeitgenössischen und historischen Beiträgen sowie in über 300 Abbildungen den Dokumentarfilm in Österreich als Vielheit der filmischen Formen und Zugänge zum Realen.
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Versucht wird, wie es heißt, „nicht eine Geschichte als chronologische Abfolge singulärer Werke“ zu skizzieren, sondern „das Feld einer dokumentarischen Praxis“ aufzuspannen, „die auf multiplen Ebenen den Formatierungen des Visuellen, des Nationalen und der Wirklichkeit widersteht“. Das 700 Seiten umfassende Buch ist der erste Versuch, das dokumentarische Schaffen in Österreich seit dem Beginn der Filmförderung 1981 umfassend zu skizzieren und zu befragen.In der Buchpräsentation spricht Birgit Kohler im Dialog mit Alejandro Bachmann über die »nuts & bolts« der konkreten Arbeit wie auch über die sich durch das Buch ziehenden theoretischen Diskurse. Im Sprechen, Lesen von Ausschnitten und kurzen Einblicken in einzelne Filme soll so einerseits die Genese des Buches in ihrem konkreten Bezug zum Thema, den Strukturen seiner Produktion und den Schwierigkeiten des Einschließens und Ausschließens (von Filmen, künstlerischen Positionen, Diskursen) nachvollziehbar werden. Zugleich soll etwas allgemeiner nach der Funktion solcher Publikationen gefragt werden: Welche Interessen richten sich aus unterschiedlichen Perspektiven – des Verlags, der Filmemacher*innen, der Kritik – an Bücher wie dieses, welche Rolle spielen sie im Herstellen (oder Hinterfragen) des Zusammenhangs einer künstlerischen Form und einer Idee von »Nation«, und wie verhält sich das Schreiben über Film zu den Filmen selbst?
Carte blanche | Metropolis
Sa 29.4. | 13.30 Uhr
Zu Gast: Amina Maher und das Woman* Life Freedom Collective Hamburg
Carte blanche: Jin, Jiyan, Azadî
Zan, Zendegi, Azadi
Seit sechs Monaten gehen Iraner*innen gegen das Regime der Islamischen Republik auf die Straße.Â
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In mehr als 160 Städten des Landes haben sie sich der Revolution angeschlossen. Ihre Entschlossenheit, dieses Regime zu stürzen, hält der Brutalität und Repression des Unterdrückungsapparats stand. Bisher wurden circa 600 Menschen getötet, mehr als 90.000 inhaftiert. Das Regime begegnet den Kämpfen um Freiheit, Gerechtigkeit und Demokratie mit brutaler Einschüchterung, zunehmend abseits von medialer und internationaler Beachtung: durch Inhaftierungen, Vergewaltigungen, Folter und Hinrichtungen. Aber die Proteste gehen weiter.
Auch in der Kunst- und Kulturszene findet sich umfangreicher Widerstand, etwa durch die Ablehnung regimekonformer Normen, den Boykott von staatlichen Festivals und Veranstaltungen sowie durch die Teilnahme an den Protesten. Zahlreiche Kulturschaffende sind in der Revolution aktiv und von Festnahmen, Arbeits- und Ausreiseverboten betroffen.
Die iranische Filmgeschichte ist eine Geschichte der Repression, Diskriminierung, Zensur – und eine der Verschwendung von Talenten und Potenzialen. Insbesondere FLINTA*-Filmemacher*innen, -Künstler*innen und -Schauspieler*innen waren und sind davon beeinträchtigt. Gleichzeitig ist die iranische Filmgeschichte aber auch voll des unermüdlichen Kampfes für politische und künstlerische Freiheit auf allen Ebenen.
Filmprogramm
Mouvement de Libération des Femmes Iraniennes, Année Zéro
Sylvina Boissonnas, Michelle Muller, Sylviane Rey, Claudine Mulard, IRN/F 1979, 12 min, kurd./Farsi/frz. OmeU
Als Khomeini am 7. März 1979 die Schleierpflicht für Frauen verkündete, demonstrierten dagegen tagelang Frauen und Liberale auf den Straßen. Kurz vor ihrer Ausweisung hielt ein Team von vier Feministinnen diese Ereignisse zusammen mit der Schriftstellerin Kate Millett fest. Der Film versammelt nicht nur wichtige Zeugnisse des feministischen Kampfes, sondern dokumentiert auch den weißen Feminismus, den westlichen Kulturrelativismus und die Bedeutung, Freiheit als universellen Wert anzuerkennen.
Letter to My Mother
Amina Maher, D/IRN 2019, 19 min, Farsi/engl./dt. OmeU
In diesem Selbstporträt setzt sich Amina Maher mit ihren Gewalterfahrungen auseinander, um sie zu verarbeiten, Bewältigungsstrategien zu finden und um sich Gehör zu verschaffen. Aminas Geschichte ist persönlich, aber kein Einzelfall; sie erzählt von sexualisierter Gewalt, patriarchalen Strukturen und Transfeindlichkeit, auch in Iran. Und spricht sich radikal für Freiheit, Gerechtigkeit und Toleranz aus.
Dancing for Change
Shahrzad Arshadi, CDN 2015, 50 min, kurd./Farsi OmeU
Seit 1979 leben Frauen mit ihren männlichen Kameraden in den Bergen der südkurdischen Gebiete und organisieren sich gegen die Repression der iranischen Regierung. Im Mittelpunkt von ›Dancing for Change‹ stehen sechs kurdisch-iranische Frauen aus drei verschiedenen Generationen, die sich dem Kampf gegen die Unterdrückung durch die Islamische Republik angeschlossen haben. Der Film zeigt ihren Aktivismus, ihre Ideale und ihre Vorstellung von einem besseren Leben.
Ãœber Woman* Life Freedom Hamburg
Das transnationale Kollektiv Woman* Life Freedom Hamburg ist eine unabhängige Gruppe von Aktivist*innen, Künstler*innen und Student*innen, die sich zur Unterstützung der feministischen Revolution in Iran zusammengeschlossen haben. Sie stehen hinter dem Motto »Jin, Jiyan, Azadî« (Kurdisch), »Zan, Zendegi, Azadi« (Farsi), übersetzt zu »Frau, Leben, Freiheit«, da sie glauben, dass ein selbstbestimmtes Leben in Iran nur über die Verwirklichung von Freiheit und sozialer, ethnischer, sexueller und genderbezogener Gleichheit möglich ist.
Mit der Filmauswahl für die dokumentarfilmwoche möchten wir, das Woman* Life Freedom Collective Hamburg, auf die unterschiedlichen, aber auch verbundenen historischen, politischen und genderbezogenen Aspekte dieser vielschichtigen Kämpfe verweisen.
Metropolis
Sa 29.4. | 16 Uhr
Zu Gast: Raaed Al Kour und Annas-Maria Dutoit
I’tikaaf
Raaed Al Kour, Anna-Maria Dutoit, D 2022, 30 min, arab./dt. OmeU
Bilal und Ahmad leben bei Pfarrer Klaus im Kirchenasyl in Oberfranken. Seit sechs Monaten verlassen die aus Syrien geflüchteten Brüder nicht das Grundstück, um sich vor der drohenden Abschiebung zu schützen.
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Zwischen Kochen, Rasenmähen und Filmabenden bleibt ihnen nichts, als zu warten: auf Post von der Behörde und den nächsten Anruf, der den Prozess der Aufenthaltsgenehmigung vorantreiben soll. Raaed Al Kour und Anna-Maria Dutoit finden in ihrer einfühlsamen Miniatur ausdrucksstarke Bilder des Ausharrens und lassen zugleich dem Innenleben der Protagonisten Raum, um sich vor der Kamera zu entfalten. ›I‘tikaaf‹ ist ein zarter Film, der aufmerksam die Dynamik im gemeinschaftlichen Zusammenleben dreier Männer porträtiert und das zermürbende Prozedere von Asylverfahren aufzeigt. (ek)
Metropolis
Sa 29.4. | 17.30 Uhr
Zu Gast: Peter Nestler und Rainer Komers
Unrecht und Widerstand
Peter Nestler, D/AUT 2021, 115 min, dt. OmeU
Die Minderheit der Sinti*zze und Rom*nja wurde im Nationalsozialismus brutal verfolgt und litt auch in der Bundesrepublik lange unter krasser Diskriminierung.
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Der Vorsitzende ihres Zentralrats, Romani Rose, verlor 13 Verwandte durch die Nazis. Peter Nestler verwebt Archivmaterial mit Kommentaren und lässt immer wieder Romani Rose zu Wort kommen, der von seiner Familiengeschichte berichtet und über seine Erfahrungen als Bürgerrechtler nachdenkt. Zeit seines Lebens erfuhr er die Kontinuität der Ausgrenzung, kämpfte und kämpft dafür, die Verantwortlichen für die Verbrechen zur Rechenschaft zu ziehen. Der Film ist eine umfangreiche, schmerzhafte und notwendige Bestandsaufnahme des tief verwurzelten Antiziganismus aus der Gegenwartsperspektive. (rg/fg)
Terra que marca
Raul Domingues, POR 2022, 66 min, portug. OmeU
Bevor ein Stück Land beackert werden kann, muss es vermessen, aufgeteilt und abgesteckt werden.Â
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Manchmal verschwinden oder überwuchern diese Markierungen, verschieben sich Grenzen, wie sich auch Perspektiven verschieben. In ›Terra que marca‹ bedeutet dies, dem anthropozentrischen Blick ein Nebeneinander der großen und kleinen Dinge, des Antiquierten und Gegenwärtigen, der menschlichen und nichtmenschlichen Lebensformen entgegenzustellen. Der Film ist dabei nicht an einer Idealisierung bäuerlichen Lebens im portugiesischen Hinterland interessiert. Stattdessen sehen wir Menschen bei ihrer beständig harten Arbeit am Land, die immer auch Stückwerk bleibt. Durch den adäquaten Einsatz bescheidener filmischer Werkzeuge (Mini DV, Handkamera) entsteht scheinbar beiläufig eine Poetik der Feinstofflichkeit. (bs)
Metropolis
Sa 29.4. | 22.15 Uhr
Zu Gast: Laure Portier
Online-Q&A: Französisch und Englisch
Soy libre
Laure Portier, F/B 2021, 78 min, frz./span. OmeU
Vernachlässigt von den Eltern, in Heimen aufbewahrt, trägt der junge Arnaud eine leidvolle Kindheit mit sich.Â
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Seine ältere Schwester Laure beginnt, einen Film über ihn zu drehen. Die Kamera wird zu ihrer beider Komplizin, einem Werkzeug ihrer Kommunikation und zum Mittel einer möglichen Heilung. Arnaud kooperiert und streitet mit Laure, er verteidigt sich manchmal, und er greift an. Ihm ist die Anwesenheit des möglichen Publikums und der Außenwelt bewusst, die ihn möglicherweise nicht versteht. Aber er lässt die Kamera nicht im Stich, mit der er seine Gedanken und sein tägliches Leben teilt, auch in Zeiten, in denen er von seiner Schwester räumlich getrennt lebt. Ein hochemotionaler, sehr direkter und höchst sehenswerter Bericht, der Arnaud auf seiner Reise begleitet und mit ihm Welten entdeckt, die ihm vielleicht helfen, das zu finden, was er sich immer gewünscht hat … (fb)
Special | Metropolis
So 30.4. | 11 Uhr
Zu Gast: Rüdiger von Hanxleden und Gisela Tuchtenhagen
Special: Der Hamburger Aufstand von 1923
Klaus Wildenhahn, D 1971, 127 min (drei Teile: 41/46/40 min), dt. OF
Eine Kneipe im Süden Hamburgs: Hier treffen sich die letzten Überlebenden des Hamburger Aufstands.
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Eine Thekenrunde von alten Kommunisten, die Geschichten erzählen. History wird das heute genannt, 1971 war es ein filmischer Akt der Solidarität. Der Kneipenwirt war im Oktober 1923 einer der Anführer der Erhebung von Hamburger Arbeitern, die nicht mehr auf die Revolution warten wollten und lieber ihr Schicksal und das Gewehr in die Hand nahmen. Es gelang ihnen zwar, einige Polizeiwachen zu besetzen, doch der Aufstand scheiterte. Wer verhaftet wurde, hatte einen hohen Preis zu zahlen …
Anfang der 70er Jahre formierte sich um Klaus Wildenhahn an der Berliner Filmhochschule die Gruppe Wochenschau, die den Aufstand filmisch aufarbeitete. Wir haben den Klassiker schon einmal 2009 im Rahmen der Klaus-Wildenhahn-Retrospektive bei der 6. dokumentarfilmwoche gezeigt. (rg)
Mehr als zehn Hamburger Gruppen, Institutionen und Einzelpersonen haben sich zusammengeschlossen, um hundert Jahre nach den Ereignissen an den Aufstand zu erinnern. Rüdiger von Hanxleden von der Gruppe Kinder des Widerstands führt in die Veranstaltung ein. Im Anschluss Filmgespräch mit Gisela Tuchtenhagen, Mitarbeiterin und Kamerafrau des Films.
Termine zum Jubiläum des Hamburger Aufstands:
Vorstellung des Buchprojekts ›Zwei Lebensgeschichten im Jahrhundert der Extreme, zwei Lesebücher über den Widerstand gegen den Nazismus‹ (Arbeitstitel) in der Staatsbibliothek, Von-Melle-Park 3, 17. Mai um 19 Uhr
Im Metropolis geplant ist eine von Thomas Tode kuratierte Reihe: »Hamburg 1923 im Kontext« mit unbekannten Filmen über den Hamburger Aufstand, ab September.
Das Museum für Hamburgische Geschichte zeigt eine Ausstellung über den Hamburger Aufstand, ab 20. September.
Schiffbek im Hamburger Aufstand. Der kommunistische Umsturzversuch vom Oktober 1923. Zweistündiger Rundgang ab Kulturpalast Hamburg, 22. Oktober, 14 Uhr
Ausstellung | Festivalzentrum
So 30.4. | 12 bis 18 Uhr
›Die fünfte Wand‹
Thementag: Dekolonisierung
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Aufgewachsen im säkularen Indien nach der Unabhängigkeit, bezeichnet sich Navina Sundaram selbst als »Kind der Nehru-Zeit«. Später, als NDR-Journalistin, berichtet sie in den 70er Jahren über Dekolonisierungsprozesse, die sie solidarisch begleitet. So macht sie den Film ›Solange es noch Tränen gibt‹ über Indiens politische Entwicklung seit der Staatsgründung 1947, reist für ›Die Freiheit und ihr Preis‹ nach Bangladesch kurz nach dessen Unabhängigkeit von Pakistan, berichtet von der Ãœberführung des ermordeten Freiheitskämpfers AmÃlcar Cabral nach Guinea-Bissau oder aus Westsahara nach dem Rückzug der spanischen Truppen für ›Tagesschau‹ und ›Weltspiegel‹. Der Thementag wirft ein Schlaglicht auf diese Zeit, die Sundarams Selbstverständnis als »Stimme des Südens« im deutschen Fernsehen prägt.
Drei Frauen
Maksym Melnyk, D 2022, 85 min, ukrain./dt. OmeU
Als Maksym Melnyk 2019 erstmals das Dorf Stuschyzja in den ukrainischen Karpaten besucht, ist sein Interesse geweckt.Â
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Fortan begleitet er drei Frauen durch ihren Alltag – vor dem russischen Überfall. Hanna hält eine Kuh und bezeichnet sich als den traurigsten Menschen der Welt. Wenn Maria nicht die Rente im Dorf verteilt, verwaltet sie das Postamt – ein Ort, der das Dorf auch jenseits von Briefen und Paketen zusammenbringt. Nelya wiederum möchte ihre Promotion beenden und beschäftigt sich mit Fledermäusen, Bärenkot und Käfern im nahen Nationalpark. Die Welt ist klein in Stuschyzja, doch ist sie darin ganz groß. Je näher der Film seinen Protagonistinnen kommt, desto häufiger greifen Maksym und sein Kameramann in das Geschehen auch vor der Kamera ein. Haare werden geschnitten, ein Schwein verschenkt, Schnaps getrunken. (sp)
urban solutions
Minze Tummescheit, Arne Hector, Luciana Mazeto, VinÃcius Lopes, D/BRA 2022, 30 min, dt./portug. OmeU
„It’s not much different today than it was before.“ Das Fortschreiten ausbeuterischer Verhältnisse von der kolonialen Vergangenheit bis in die kapitalistisch segregierte Gegenwart Brasiliens steht im Mittelpunkt.
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Auf kongeniale Weise spiegelt und verschränkt der Film diese Kontinuität anhand unterschiedlicher Materialien und filmischer Methoden. Ein anachronistisch daherkommender Offtext und historische Drucke evozieren die exotisierende Perspektive eines europäischen Forschungsreisenden des 19. Jahrhunderts, der sukzessive durch eine Montage innerer Monologe von Porteiros (Concierge und Wachschutz in einer Person) konterkariert wird. „We are waiting for the right moment to break out the frame“, heißt es dann, während eines der Tableaux vivants unvermittelt in revolutionäre Bewegung gerät. (bs)
Metropolis
So 30.4. | 17.30 Uhr
Im Anschluss: voraufgezeichnetes Q&A mit David Easteal auf Englisch
The Plains
David Easteal, AUS 2022, 180 min, engl. OF
Eine fest installierte Kamera im Fond eines unscheinbaren Hyundais. Ein Mann mittleren Alters steigt ein.Â
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In langen Einstellungen geht es wieder und wieder über die immer gleichen Straßen und Autobahnen. Der alltägliche kurze Anruf bei der Mutter, einer bei der Ehefrau: die Rituale des Pendlers, durch die Jahreszeiten, meist im Stau der Rushhour von Melbourne. Bisweilen begleitet ein jüngerer Arbeitskollege (der Filmemacher) den Fahrer. Unterhaltungen entspinnen sich, Beziehungen bekommen Konturen. Vor dem Hintergrund der repetitiven Fahrten zeichnen sich in den Gesprächen und Telefonaten erst unmerklich, dann deutlicher die Kurven, Geraden und Ausfahrten eines Lebens ab. Ein meditatives Kinoerlebnis, das gerade in seiner Reduktion und Beiläufigkeit ein Ereignis ist. (tg)
L’îlot – Like an Island
Tizian Büchi, CH 2022, 104 min, arab./frz./portug./span. OmeU
In einem Lausanner Arbeiterviertel gibt es einen kleinen Fluss, um den sich ein Geheimnis rankt.
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Die Sicherheitskräfte Daniel und Ammar sind angeheuert, dafür 
zu sorgen, dass niemand das Gebiet betritt. Sie bewachen es Tag und Nacht, spannen Absperrbänder. In der Zwischenzeit erzählen Bewohner*innen von ihrem Alltag. Legenden und urbane Sagen vermischen sich mit persönlichen Geschichten und Reflexionen und
formen eine Erzählung, die sich wie schlafwandlerisch zwischen Dokumentation und Fiktion bewegt. Über die Begegnungen mit den Menschen der Gegend und die sich entwickelnde Freundschaft zwischen Daniel und Ammar erschließt sich das Territorium in einer Parabel, die unsere Überwachungsgesellschaft infrage stellt: Der Fluss wird zum Symbol eines ungehemmten Ortes, frei von Angst. (fb)